16. Juni 2017 2 Likes

Postapokalyptische Magie

J. Patrick Blacks Romandebüt „Die Neunte Stadt“

Lesezeit: 3 min.

Der Amerikaner J. Patrick Black (im Shop) hat schon als Barmann, Rettungsschwimmer, Kleinstadtanwalt und kostümiertes Freizeitpark-Maskottchen gearbeitet – dankbares Futter für eine Biografie. Mit dem postapokalyptischen Roman „Ninth City Burning“, der bei Heyne als „Die Neunte Stadt“ in der Übersetzung von Markus Mäurer soeben auf Deutsch erschienen ist, gibt der in Boston lebende Black nun seinen Einstand als Science-Fiction-Schriftsteller. Sein Romandebüt ist in einer fernen, fremdartigen Zukunft angesiedelt, in der die Menschheit seit fünfhundert Jahren Krieg gegen eine mächtige Alien-Rasse führt, die erstmals an einem Valentinstag die Erde angriff.

Zu Beginn des Buches leben die Menschen von Morgen sogar längst in regelrecht postapokalyptischen Verhältnissen und folgen einer neuen Ordnung, die davon abhängt, wo man geboren wurde. Während die Hauptlast des Widerstands durch die militärische Legion in den letzten großen, modernen Städten organisiert und getragen wird, hängt die Versorgung der Leute von den Siedlungen auf dem technisch rückständigen Land ab, in deren Umfeld außerdem altmodische Karawanen und wilde Stammeskrieger unterwegs sind – es findet sich also stets jemand zum abwehren und bekämpfen, womit es sich die Menschen gegenseitig noch ein bisschen schwerer machen, und dann gibt es ja auch noch Politiker, Schwarzmarkthändler und Artefaktsucher. Die größte Hoffnung im langen Krieg gegen die Außerirdischen, die wegen ihres Ankunftstags auf der Erde ironisch als Romeos bezeichnet werden, sind indes die wenigen Auserwählten, die geradezu magische Fähigkeiten besitzen und die harte Realität verändern können. Die Ausbildung derer, die gegen die Aliens kämpfen, ist daher besonders wichtig …  

Seine Geschichte einer dramatisch veränderten Zukunft der Erde und der Menschheit schildert J. Patrick Black ziemlich ambitioniert – aber durchaus gekonnt – aus über einem halben Dutzend Ich-Perspektiven, wobei er jedem seiner jungen Erzähler eine eigene Stimme verleiht, die den gesellschaftlichen Hintergrund der Figur widerspiegelt. Während der Arbeiter aus der ländlichen Fischkonservenfabrik von Anfang an lässiger klingt und die Dinge in der weiten Welt besser benennen kann als die beiden Waldläufer-Schwestern, ringt der junge Magier mit seinen Zweifeln und dem Druck, und ungefähr in der Mitte des Romans wird noch eine wissenschaftlich begabte Nebenfigur zur Protagonistin, die als einzige Fußnoten verwendet. Überhaupt gelingt es J. Patrick Black im Verlauf seines seitenstarken Wälzers immer wieder, auch dann noch eine Überraschung hervorzuzaubern, wenn man als Leser schon davon ausgeht, dass er alle Karten auf den Tisch gelegt hat. An dieser Stelle soll natürlich nicht zu viel verraten werden, aber u. a. verbirgt sich hinter den Romeos etwas anderes als die üblichen Invasoren aus dem All.

Obwohl Black ein postapokalyptisch-dystopisches Setting nutzt, das atmosphärisch klar an die multimedial erfolgreiche „Die Tribute von Panem“-Serie aus der Feder von Suzanne Collins angelehnt ist, und er sich zugleich vor Genre-Klassikern wie „Enders Spiel“ von Orson Scott Card (im Shop) verbeugt, ist „Die Neunte Stadt“ eine eigenständige Mischung: Science-Fiction und Fantasy verschmelzen zu einer spannenden, richtig innovativen Welt. Die Handlung und das Tempo der Geschichte werden diesem beeindruckenden Weltenentwurf zwar nicht immer gerecht, und vielleicht ist es am Ende auch ein bisschen zu viel von allem – doch wer auf dicke Bücher steht, sich mit Vorliebe in üppige postapokalyptische Szenarien reingräbt und für einen unkonventionellen Genre-Mix zu begeistern ist, wird mit „Die Neunte Stadt“ viele Stunden Spaß haben. Und sich freuen, dass das Sequel „Under Seven Skies“ im englischsprachigen Original bereits für Anfang 2018 angekündigt ist.

J. Patrick Black: Die Neunte Stadt • Aus dem Amerikanischen von Markus Mäurer • Heyne, München 2017 • 792 Seiten • E-Book: 13,99 Euro (im Shop)

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