4. Juli 2017 1 Likes

Konkurrenz für Hollywood?

Nicht nur in China tut sich was, auch Russland schickt eigene „Guardians“ ins Rennen

Lesezeit: 3 min.

Angesichts stagnierender Einspielergebnisse in den heimischen Kinos blickt Hollywood mit immer größerer Sehnsucht auf den wachsenden chinesischen Kino-Markt. Doch China ist restriktiv und lässt nur eine geringe Anzahl Hollywood-Filme auf den Markt, und warum auch nicht, schließlich produziert das Reich der Mitte selbst einen Action-Fantasy-Blockbuster nach dem nächsten. Im Westen sind Filme wie etwa „Operation Mekong“, „Monkey King“ oder „The Mermaid“, der mit satten 92 Millionen Zuschauern erfolgreichste Film in China aller Zeiten jedoch fast nie im Kino zu sehen, ähnlich wie die Produkte aus einem anderen Riesenreich mit Zukunft: Russland.

Außer gesellschaftskritischen Werken von Auteurs wie Alexander Sokurow oder Andrey Zvyagintsev finden russische Filme in Deutschland praktisch nicht statt, dabei sind es gerade für die Masse produzierte Mainstream-Filme, die oft mehr über den Zustand einer Gesellschaft erzählen, als das künstlerisch wertvolle Kino, das oft mit mehr als einem Blick auf das Ausland produziert wird. Die unvollendete „Night Watch“-Trilogie (nach den Romanen von Sergej Lukianenko; im Shop) des zwischenzeitlich nach Hollywood abgewanderten Timur Bekmambetov etwa oder dessen Komödie „The Irony of Fate 2“, der erfolgreichste einheimische Film der letzten Jahre.

Gerade auch im Science-Fiction/Fantasy-Bereich wird in der russischen Filmindustrie fleißig produziert, vielleicht aus dem schlichten ideologischen Grund, dass diese Genres unverhohlen eskapistisch sind und man sich nicht mit etwaigen sozialen Problemen auseinandersetzen muss. Zwei dieser Filme sind „Attraction“ von Fedor Bondarchuk, der im August sogar in die deutschen Kinos kommen soll, und Sarik Andreasyan „Guardians“, der nun auf Scheibe und als VOD verfügbar ist.

Nicht zufällig lässt der Titel an Marvels „Guardians of the Galaxy“ denken, denn auch die russischen Wächter sind eine typische Superhelden-Truppe, die sich versammelt, um die Erde, bzw. in diesem Fall Moskau, vor der Vernichtung zu bewahren. In bester Superhelden- bzw. Frankenstein-Manier ist der Bösewicht August Kuratov ein Wissenschaftler, dessen Experimente schief gegangen sind und der nun mit seinem Körper jedwedes elektrische Gerät bedienen kann. Als letzte Abwehrmöglichkeit dienen einige Klone, die im Zuge eines „Patriot“ genannten Programms entwickelt wurden und die nun über die ehemaligen Grenzen der Sowjetunion verteilt die Einsamkeit suchen. In Armenien findet sich da etwa ein Mönch, in den Steppen Kasachstan ein leicht asiatisch angehauchter Kämpfer mit Doppelschwert und in den tiefen der Taiga ein Mensch, der sich im Notfall in – einen Bären verwandeln kann.

Der russische Bär rettet also die Nation, was nicht besonders subtil ist, aber genau deswegen Spaß macht. In nicht einmal 90 Minuten hakt Andreasyan sämtlich Stationen eines typischen Superheldenfilms ab, von Originstorys, über die Zusammenstellung des Teams, bis hin zur Post-Credit-Sequenz, die auch hier eine Fortsetzung andeutet. Nicht besonders ernst nimmt sich der Film dabei, hat Humor vom Niveau eines Spruchs wie „Experimente auf Stalin komm raus!“ und sieht dabei aus wie ein hochgetaktetes Computerspiel.

Immer wieder stutzt man über die extreme Künstlichkeit der Bilder, selbst bei Szenen, in denen die Darsteller keine akrobatischen Leistungen vollbringen. Dass diese größtenteils im Computer entstanden ist heutzutage selbstverständlich, aber das auch banale Dialogpassagen wie Szenen aus Final Fantasy“ oder ähnlichen Versuchen von photorealistischer Animation wirken, irritiert. Ein wenig mag man hier an Disneys letztjährigen „Dschungelbuch“ denken, der auch als Realfilm beworben wurde, in Wirklichkeit jedoch praktisch komplett im Computer entstand. Auf diesem technischen Niveau bewegt sich diese russische Produktion dann zwar nicht, beeindruckend ist die Materialschlacht über Moskau dennoch und macht gespannt auf das, was das russische Mainstream-Kino in den nächsten Jahren hervorbringen wird.

Erschienen bei Capelight, verfügbar als Bluray/ DVD/ VOD

Guardians • Russland 2017 • Regie: Sarik Andreasyan • Darsteller: Sebastien Sisak, Sanzhar Madiev, Anton Pampushnyy, Alina Lanina

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.