6. Februar 2018 1 Likes

Digitalisierte Seelen

Netflix’ Unsterblichkeitsprogramm in „Altered Carbon“

Lesezeit: 3 min.

Endlich steht die erste Staffel der Netflix-Serienadaption von Richard Morgans Cyberpunk-Krimi „Altered Carbon“ alias „Das Unsterblichkeitsprogramm“ (im Shop) zum Streamen bereit! Doch wird die TV-Fassung des mit dem Philip K. Dick Award ausgezeichneten Romans von 2002 der Vorfreude und dem Hype gerecht? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden: Eintauchen und aufsaugen …

Eintauchen und aufsaugen, anpassen und infiltrieren und manipulieren – genau das sind die gefürchteten Qualitäten von Takeshi Kovacs (Will Yun Lee aus „Wolverine: Weg des Kriegers“ und „Falling Water“), einem ehemaligen Envoy-Elitesoldaten, der schließlich als Terrorist verhaftet und lebenslang weggesperrt wurde. Satte 250 Jahre nach seiner gewaltsamen Festnahme wird Kovacs‘ Bewusstsein jedoch dank der Stack-Technologie in einen neuen, besonders robusten und kampferprobten Körper (Joel Kinnaman aus „Suicide Squad“ und „RoboCop“) transferiert und wiedererweckt. Der stinkreiche, dank seines Wohlstandes über Gebühr alte Laurens Bancroft (James Purefoy aus „Hap & Leonard“ und „The Following“) hat Kovacs aus dem Eis holen und in den neuen „Sleeve“ (= Ersatzkörper) stecken lassen. Bancroft lädt alle zwei Tage ein Back-up seines eigenen Bewusstseins auf einem privaten Satelliten hoch und weiß daher nicht, wer seinen vorherigen Sleeve ermordet hat, und genau das soll Kovacs herausfinden. Dabei kreuzt der ausgebildete Kämpfer und Killer nicht nur den Weg der hartnäckigen Polizistin Kristin Ortega (Martha Higareda aus „Royal Pains“), deren Karriere durch den Fall Bancroft bereits einigen Schaden genommen hat …

Eines kann man mit Gewissheit sagen: Die Story von Richard Morgans Roman, dem der Engländer übrigens noch zwei weitere Bücher über Takeshi Kovacs folgen ließ, wurde äußerst gewissenhaft für das hippe, moderne Medium Serienfernsehen umgesetzt – klar, der 1965 geborene Morgan hatte ja bereits Anfang 2016 angekündigt, selbst im Writer’s Room Platz zu nehmen. „Altered Carbon“ folgt seiner literarischen Vorlage zudem dahingehend, was die Treffsicherheit der faszinierenden Ideen angeht, die obendrein gleich moralische und philosophische Aspekte des technologischen Fortschritts bedienen. Zugleich gelingt es den Machern immer wieder, absolut atmosphärische Momente innerhalb ihrer detailreichen Zukunft zu kreieren, die wie ein Querschnitt der multimedialen Science-Fiction wirkt und natürlich zuallererst immer an „Blade Runner“ erinnern will. Was der Netflix-Adaption leider komplett abgeht, ist echtes Blockbuster-Feeling. Rund zehn Stunden reichen einer der bis dato teuersten Netflix-Produktionen aller Zeiten nicht, um beim Zuschauer das Gefühl hervorzurufen, mehr als eine Genre-Serie von vielen zu schauen. Etwas, das z. B. der exzellenten Westernshow „Godless“ Ende 2017 bravourös gelungen ist.

„Altered Carbon“ kann mit den Ideen, den Bildern und dem allgemeinen Ambiente seiner Zukunft punkten, wann immer die Serie sich furchtlos ins futuristische Getümmel aus Klassenkampf, Gewalt, Drogen, Glaube, Sex und Künstlicher Intelligenz stürzt. Überhaupt steht dem serialisierten Krimi-Gemisch aus den bewährten Zutaten Cyberpunk und Hardboiled die Unberechenbarkeit der Handlung gut zu Gesicht, die mal in unglaublich brutalen, mal in richtig coolen und hin und wieder auch mal in ein paar eher seltsamen Szenen enden kann. Dass nicht jede Teilstrecke oder Erzähleinheit der ersten Season überzeugt, könnte man ebenso wie die genre-obligatorischen Stereotypen freilich verschmerzen, wäre das alles nur etwas zackiger und packender. So hat das Unsterblichkeitsprogramm auf Netflix häufig einfach nicht genügend Schmiss – und wenn man als Genre-Fan schon viel zu oft auf die Anzeige der verbleibenden Minuten oder gar Episoden schielt, fragt man sich durchaus, wie es einem weit weniger wohlgesinnten Mainstream-Zuschauer gehen muss. Da greift man lieber noch einmal zum Roman, der diese Schwächen nicht hat.

Alle zehn Folgen der kompletten ersten Staffel von „Altered Carbon“ stehen seit dem 2. Februar zum Streamen bereit.

Bilder: Netflix

Altered Carbon: Das Unsterblichkeitsprogramm – Staffel 1 • Darsteller: Joel Kinnaman, James Purefoy, Martha Higareda, Will Yun Lee • Laufzeit: 10 Episoden mit je ca. 50–55 Min.

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