29. Mai 2018

Posthum verspukt

Neue Bücher von Denis Johnson und David Mitchell

Lesezeit: 2 min.

Gefeierte Ausnahmeliteraten mit waschechter Science-Fiction im Portfolio? Da gibt es so einige. Bei Rowohlt sind gerade z. B. zwei eher schmale, aber starke Bücher von weltbekannten Autoren erschienen, auf die genau diese Kombination zutrifft …

Anfang des Jahres verstarb der große amerikanische Gegenwartsautor Denis Johnson im Alter von 67 Jahren. Bereits 1985 hatte Johnson mit „Fiskadoro“ einen ungewöhnlichen postapokalyptischen Roman vorgelegt. Beim just erschienenen Band „Die Großzügigkeit der Meerjungfrau“ handelt es sich um eine posthume veröffentlichte Kurzgeschichtensammlung, die nicht an Johnsons brillante, berühmte Kollektion „Jesus’ Sohn“ herankommt, aber definitiv noch mal seine stilistische Klasse und Vielseitigkeit zeigt. Die längeren Geschichten brauchen stets nur ein paar Sätze in der individuellen Stimme des jeweiligen Erzählers, um einen in fremde Leben und Gedanken zu ziehen, die oft genug bedrückend und beklemmend sein können. Das macht „Die Großzügigkeit der Meerjungfrau“ zur perfekten, da exemplarischen posthumen Erfahrung von Denis Johnson, obwohl das Ausnahmewerk „Jesus’ Sohn“ und seine bemerkenswerte Novelle „Train Dreams“ noch etwas besser für die späte Entdeckung geeignet wären. Hier kann man in Johnsons späte Sammlung reinlesen.

Der 1969 geborene Engländer David Mitchell zählt fantastische, aber nicht als Fantastik abgestempelte Romane wie „Die Knochenuhren“ und „Der Wolkenatlas“ zu seinem Schaffen – für Ersteren wurde er mit dem World Fantasy Award bedacht, Letzteren verfilmten Tom Tykwer und die Wachowskis unter dem Originaltitel „Cloud Atlas“ mit einem wahren Star-Ensemble, wobei die Story von Buch und Film die Jahre 1849 bis 2311 abdeckt. Mitchells neuer Kurzroman „Slade House“, der aus einem Twitter-Projekt entstand, hat lose Verbindungen zu seinem bisherigem Schaffen. Doch die Geschichte über ein zyklisch in Zaum und Zeit auftauchendes Spukhaus, in dem seelenfressende Vampire lauern, kann problemlos als erstklassige Einstiegsdroge in Mitchells fantasievolles Schaffen dienen. Beim genüsslichen Lesen fühlt man sich gelegentlich an Ray Bradbury, Neil Gaiman oder Clive Barker erinnert, während mit Mitchell ein exzellenter, fabulierfreudiger moderner Autor zeigt, wie viel Leben und Twists noch in der altehrwürdigen Spukhausgeschichte stecken. Grandios! Hier wartet eine Leseprobe als Tür ins Slade House.

Denis Johnson: Die Großzügigkeit der Meerjungfrau und andere Erzählungen • Rowohlt, Reinbek 2018 • 222 Seiten • Hardcover: 24,00 Euro

David Mitchell: Slade House • Rowohlt, Reinbek 2018 • 240 Seiten • Hardcover: 20,00 Euro

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