Abteilung: Resterampe
„The Domestics“ – Endzeitmurks der Woche
Das letzte Kinojahrzehnt hat vor allem eindrucksvoll demonstriert, wie abgründige, transgressive Genres zur banalen Alltags-Unterhaltung transformiert werden. Zuerst wurde der subversive Splatterfilm mit Machwerken wie dem „Saw“- oder „Hostel“-Franchise zur massentauglichen Jahrmarktsveranstaltung degradiert, die ihr im Kern aufrührerisches Potential zu Gunsten einer maximale Publikumsbespaßung unter den Tisch fallen ließen. Als Nächstes wurde der Dystopie und hier insbesondere dem Endzeitfilm die Zähne gezogen: Gefühlt kämpfen mittlerweile jede Wochen irgendwelche Figuren in mal mehr, mal weniger zukünftigen Szenarien um ihr Überleben, was eigentlich erschreckend, im Optimalfall sogar warnend sein könnte, wird zur Routine: Natürlich bricht nach einem Supergau die Zivilisation in sich zusammen, natürlich zieht sich der größte Teil der Menschheit daraufhin sofort alberne Klamotten an und/oder führt sich auf wie die wilde Watz und natürlich gibt es noch einige wenige, die sich der neuen Weltordnung nicht angepasst haben und deswegen selbstverständlich die größten Probleme bekommen.
Man kennt’s halt und wie sehr man es kennt, wird bereits nach den ersten Minuten von „The Domestics“ klar, der sich nicht nur munter durch sattsam Bekanntes räubert, sondern darüber hinaus zu faul ist, auch nur irgendwas fertig zu denken. Hauptsache Endzeit, irgendwie, die Kollegen haben ja schon fleißig Vorarbeit geleistet.
Die Story geht so: Da sich diverse Probleme (Rassenkonflikte, Armut, Gewalt, Verschuldung etc.) nicht mehr in den Griff kriegen lassen, hat die Regierung der USA hat beschlossen, die Bevölkerung per von Flugzeugstaffeln versprühtes Gift einfach auszulöschen. Die meisten Menschen sterben innerhalb kürzester Zeit, andere fliehen über die Grenzen, wieder andere sind gegen das Gift immun und teilen sich in verschiedene randalierende und mordende Stämme und Gangs auf, die bestimmte Teile des Landes kontrollieren. Und dann gibt’s da noch die „Domestics“, diejenigen, die zu Hause bleiben und einfach ihr altes Leben weiterführen wollen. Zu diesen gehören auch Mark (Tyler Hoechlin) und Nina (Kate Bosworth), ein Ehepaar, das sich eigentlich schon längst trennen wollte, der neuen Umstände wegen aber dann doch zusammengeblieben ist. Doch eines Tages will Karte ihre Eltern in Milwaukee besuchen, von denen sie schon seit einiger Zeit nichts mehr gehört hat und so brechen die beiden zu einer Fahrt übers Land auf, die sie durch das Territorium von acht Gangs führt. Erste Probleme lassen natürlich nicht lange auf sich warten …
Egal ob das übermächtige Duo „Die Klapperschlange“ und „Mad Max“, dass hier ganz tiefe Fußspuren hinterlassen hat, oder Filme wie „The Warriors“, „Apocalpyse Now“ oder „Clockwork Orange“, “The Domestics“ fühlt sich schon nach kürzester Zeit an, als ob man sich durch das allabendliche Fernsehprogramm zappt. Wie oft dabei so manche Komponente bereits durch den Kopierer gezogen wurde, merkt man vor allem an zwei Beispielen: Die vermeintlich originelle Spitze, dass eine scheinbar normale Biedermann-Familie zum Abendessen Menschenfleisch reicht, gab’s so ähnlich erst neulich auf Netflix in „The Rain“ und den Kniff, dass Regisseur Mike P. Nelson das bizarr-finstere Geschehen mit Pop-Klassikern kontrastiert, kennen wir aus dem kürzlich gestarteten „The Strangers 2: Opfernacht“, beides wiederum Produktionen, die ihrerseits aus bekannten Versatzstücken zusammengebaut worden sind – die Kopien stolpern mittlerweile regelrecht übereinander.
Aber selbst wer keine wandelndes Filmlexikon ist, wird nur mäßig Freude an „The Domestics“ haben, was vor allem am völlig unausgegorenen Skript liegt: Aus der im Kern nicht reizlosen Idee, dass dieses Mal kein schnöder Atomkrieg oder ein Virus, sondern die eigene Regierung für den Untergang gesorgt hat, wird wenig gemacht, man erfährt nichts vom Weg zur Entscheidung oder wer die Entscheidungsträger überhaupt sind. Während Filme wie „The Purge – Die Säuberung“ (2013) bestehende gesellschaftliche Tendenzen aufgreifen und weiterdenken, wirkt die Lösung mal eben alle Menschen zu killen so ganz ohne jede Erläuterung reichlich krude. Aber der Film hat generell kein großes Interesse an seinem Szenario: Die Eltern, der Anlass der Reise, spielen im Film keine Rolle und die Eheprobleme von Mark und Nina, von denen man ebenfalls kaum etwas erfährt, wirken wie ein bemühter Versuch emotionale Tiefe zu installieren, was angesichts der farblosen Darsteller – vor allem Tyler Hoechlin wird von seinem eigenen Film regelrecht verschluckt – nicht mal ansatzweise funktioniert. Das ist irgendwie aber auch egal, denn die den größten Teil des Streifens so zurückhaltende Nina wird im Finale urplötzlich zur Kampfamazone, als ob Nelson sich urplötzlich an seine selbst geschriebene Figur nicht mehr erinnern konnte.
Was dem Regisseur und Drehbuchautoren wirklich wichtig war, wird bei den zahlreichen Gewaltszenen deutlich, denn die sind allesamt zeigefreudig, besonders im Finale suppt es ordentlich, dank fahriger Inszenierung allerdings ohne großen Nachhall, so dass man Nelsons Film nicht mal Exploitation-Fans so wirklich ans Herz legen mag.
„The Domestics“ ist Science-Fiction zum Abgewöhnen, der Film führt nur eins nachdrücklich vor Augen: Endzeit? Jetzt ist echt mal Zeit für ein Ende.
„The Domestics“ läuft ab dem 23.08.2018 im Kino.
The Domestics (USA 2018) • Regie: Mike P. Nelson • Darsteller: Tyler Hoechlin, Kate Bosworth, Lance Reddick, Sonoya Mizuno, Dana Gourrier, Thomas Francis Murphy
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