Mit Raketen im Herz der Finsternis
Die Dokumentation „Fly Rocket Fly“ erzählt die verrückte Geschichte von deutschen Weltraumraketen in Zaire
Es ist eine dieser Geschichten, die man sich nicht ausdenken kann: Ein deutscher Ingenieur, der den Traum hat, mit einem privaten Unternehmen Raketen in den Weltraum zu schießen und vom zairischen Diktator Mobutu Sese Seko ein Gelände von der Größe der DDR zur Verfügung gestellt bekommt, um diesen Traum zu verwirklichen. Lutz Kayser heißt der Ingenieur, der Ende 2017 verstarb, kurz nachdem er Oliver Schwehm für dessen Dokumentation „Fly Rocket Fly – Mit Macheten zu den Sternen“ Rede und Antwort gestanden hat.
Der Traum von den Sternen begann für Kayser mit der Lektüre von Büchern Wernher von Brauns, jenes legendären deutschen Raumfahrtpioniers, der während des Zweiten Weltkriegs mit seinen Mitstreitern Waffen für die Nazis entwickelte. Nach dem Krieg wurde er den Amerikanern zugeteilt, während manche Kollegen auf Seiten der Russen landeten und fortan gegeneinander arbeiteten und das Rennen um die Beherrschung des Weltraums befeuerten, bei dem zunächst die Russen die Nase vorn hatten – Stichwort Laika und Gagarin – später dann die Amerikaner den ersten Preis – die Mondlandung – errangen.
Milliarden steckten die Regierungen in die Raumfahrt, doch Kayser und seine Mitstreiter stammten nicht umsonst aus Schwaben und glaubten daran, dass es auch billiger geht. Erste Versuche verliefen recht vielversprechend, dank eines reichlich windigen (aber vollkommen legalen) Steuerschlupfloch gelang es ihnen, viel Geld von Investoren einzusammeln, fehlte nur noch ein Ort zum experimentieren.
Zentralafrika bot sich da aus zweierlei Gründen an, zum einen liegt es nah am Äquator und die dort stärkere Erdrotation ist für den Start einer Rakete vorteilhaft, zum anderen herrschten dort Diktatoren, die für Geld zu fast allem bereit waren. Die Nonchalance mit der Kayser mit dem selbst für Diktatoren-Verhältnisse besonders abstoßenden Mobutu einen Deal einging und diesen offenbar auch Jahre später nicht problematisch findet, mag überraschen. Gerade Kaysers Mitstreiter, die ebenfalls Rede und Antwort stehen, wirken oft so, als könnten sie kaum fassen, was sie damals, Mitte der 70er Jahre in Afrika erlebt haben.
Dank erstaunlichem Archivmaterial kann man diesen Eindruck nur teilen: Im Südosten des riesigen Landes wies Mobutu Kayser eine Region zu, deren Fläche fast der der DDR entsprach. Dort, auf einem Felsvorsprung, baute Kaysers Firma OTRAG – Orbital Transport Raketen Aktien Gesellschaft – mit Hilfe einheimischer Arbeiter eine Raketenbasis. Wirklich erfolgreich waren die Versuche, NASA und Co. Konkurrenz zu machen, zwar nicht, zwei erfolgreichen Test folgte eine Fehlzündung, ausgerechnet beim Besuch von Mäzen Mobutu, doch ob dieser die OTRAG deswegen bald aus dem Land warf, ist offen. Vielleicht war es der Druck von Seiten der Großmächte, die keine Konkurrenz beim ins All schicken der zunehmend wichtiger werdenden Aufklärungssatelliten duldete, vielleicht auch der Druck Europas, die gerade die ESA aufbaute. Kayser jedenfalls konnte seinen Anteil an der Firma teuer verkaufen und sich auf ein angenehmes Altenteil zurückziehen, vorher diente er allerdings noch Muammar Gaddafi in Libyen, ein Thema, das der Film verschweigt, vermutlich wäre das dann doch zuviel für diese märchenhafte Geschichte gewesen. Kaysers Traum, als Privatmann Raketen ins All zu schicken träumen inzwischen andere: Elon Musk etwa, der gerade erst angekündigt hat schon 2023 einen Milliardär zum Mond zu befördern. Soweit hat es Kayser nicht geschafft, was er beim Versuch erlebte, ist jedoch Stoff für einen Film, den man gesehen haben muss, um ihn zu glauben.
„Fly Rocket Fly“ läuft seit dem 27. September im Kino
Fly Rocket Fly • Deutschland 2018 • Regie: Oliver Schwehm
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