23. Februar 2019

Alte Liebe rostet nicht

James Sallis’ neuer Roman „Willnot“ auf Deutsch

Lesezeit: 2 min.

Heute kennt man den 1944 geborenen US-Schriftsteller James Sallis für feine Noir-Krimis, wobei sein überragender Roman „Driver“ 2011 von Regisseur Nicolas Winding Refn und mit „Blade Runner 2049“-Hauptdarsteller Ryan Gosling zum Filmkunstwerk erhoben wurde. Soeben ist Sallis’ jüngster Roman „Willnot“ bei Liebeskind auf Deutsch erschienen. Anhand der Geschichte eines Kleinstadt-Arztes im Süden der USA philosophiert Sallis über das Menschsein – die zu erwartende Krimihandlung zum grausigen Fund mehrerer Leichen in einer Grube handelt er quasi nebenbei und im Hintergrund ab.

Sallis schreibt seit den 90ern Krimis, zuvor veröffentlichte er allerhand Science-Fiction-Storys. Zwischen 1968 und 1969 weilte er sogar in London und half Michael Moorcock dabei, das einflussreiche SF-Magazin „New Worlds“ herauszugeben. 1996 stellte Sallis, der Harlan Ellison (im Shop) zu seinen Fans zählte, eine Schriftensammlung über Samuel R. Delany zusammen.

In „Willnot“ zollt Sallis seiner alten Genre-Liebe nun noch einmal spürbar Tribut. Der Vater von Sallis’ sympathischem Protagonisten Lamar Hale war ein fiktiver Science-Fiction-Autor, in dessen Schatten der junge Ich-Erzähler einst Conventions besuchte und Autoren wie Fritz Leiber, Robert Silverberg (im Shop), Judith Merrill und Theodore Sturgeon (im Shop) traf. Unterwegs wartet daher der eine oder andere SF-Bezug (inklusive Sturgeons berühmtem Zitat: „Stell die nächste Frage“). Außerdem wird Lamar seit seiner Zeit im Koma von fremden Geistern in Besitz genommen. Das alles zeigt: Man kriegt den Autor womöglich aus der Science-Fiction, aber nicht die Science-Fiction aus dem Autor! Als ob man noch mehr Gründe bräuchte, James Sallis zu verehren …

„Willnot“ ist ein Vergnügen, jedoch auch etwas speziell und kein konventioneller Krimi-Pageturner. Die Menschen sind in diesem Kleinstadt-Psychogramm wichtiger als der Mord, das Leben kommt vor den Leichen, die Figuren stehen über dem Verbrechen. Wer sich Sallis’ Schaffen zum ersten Mal nähert, fängt besser mit „Driver“ oder „Dunkle Schuld“ an – alle anderen genießen den in jedem Fall überraschenden Roman und einen Meister in Aktion.

James Sallis: Willnot • Liebeskind, München 2019 • 223 Seiten • Hardcover: 20,00 Euro

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