25. Mai 2019 3 Likes

Days After Tomorrow

Sonys PS4-exklusives Endzeit-Abenteuer „Days Gone“ überzeugt als knackiger Survival-Spielplatz

Lesezeit: 7 min.

Machen wir uns gleich zu Beginn ehrlich: Dass nach Metro: Exodus, Far Cry: New Dawn, The Division 2 und weiteren Titeln wie Rage 2 und dem noch kommenden Borderlands 3 allein in diesem Jahr bereits so viele Blockbuster mit betont düsterem Postapokalypse- oder Endzeit-Setting erscheinen, kann man mit gutem Willen zwar als Symptom einer gesteigerten Zukunftsskepsis erklären – oder sich ganz subjektiv im Extremfall gelangweilt abwenden, da nur wenige der Genannten wirklich Neues oder gar Innovatives in petto haben.

Letzteres trifft ohne Umschweife auch auf Studio Bends exklusiv für PS4 produzierten und seit Ende April erhältlichen Ritt Days Gone zu. Ein nicht näher definierter Ausbruch einer Zombie-Seuche, eine daraufhin völlig entkernte Restgesellschaft im Survival-Modus und ein dennoch malerisch schönes wie gefährliches Naturpanorama im amerikanischen Oregon liefern den Rahmen für ein Action-Adventure mit Open World-Mechanik, das auf dem Papier kaum mehr nach Reißbrett klingen könnte. Doch ein so verengter Blick verpasst all die Stärken, die Days Gone nicht erst bei genauerer Betrachtung absolut vorzuweisen hat.

Neben den gut balancierten Gameplay-Aspekten zwischen einem jederzeit glaubhaft umgesetzten Überlebenskampf, der mit einer Prise Stealth, viel harter Action und einer überschaubaren wie effektiven Palette an Crafting auskommt, punktet das locker über 30 Spielstunden umfassende Abenteuer mit Ansätzen, die sein eigentlich ausgelutschtes Setting stellenweise bemerkenswert düster und damit konsequent erscheinen lassen.

Anders gesagt: Die Macher haben offenbar sehr genau The Walking Dead gekuckt, wovon einige schwer verdauliche Härten zeugen, die mit viel Blut, Tod und vorgegaukeltem Dilemma einhergehen. Zahlreiche Szenen transportieren Hand in Hand mit massig Dialogen eine trotz der steilen Vorlage leider nur überdurchschnittliche Story über Biker Deacon St. John, der sich nach dem vermeintlichen Tod seiner Frau Sarah nur mit seinem Motorrad-Buddy Boozer durch die Gebirge Oregons schlägt und die Hoffnung auf ein Überleben seiner großen Liebe nie so ganz aufgeben kann.

Mehrere Rückblenden geben Einblicke in die Beziehung der Beiden, die jedoch trotz amouröser Spirenzchen bei weitem nicht die Emotionalität erreicht, wie sie etwa The Last of Us mit seinen Vater-Tochter-Konstellationen entfachte. Ach ja, ein dubioses Bio-Unternehmen namens Nero – für das Deacons Frau auch noch arbeitete – hat auch irgendwie seine Finger im Spiel und ein durchgedrehter Colonel sorgt in der zweiten Hälfte der Kampagne für Aufruhr. Junge, Junge, wieviel Klischee verträgt eigentlich eine einzige Story?

Deacons treuester Begleiter durch die raue Wildnis ist aber nicht „Raubein mit Herz“ Boozer, sondern sein Bike. Ähnlich wie in Rockstars Überhit Red Dead Redemption ist man ohne mit Upgrades aufgepimptes Bike im wahrsten Sinne aufgeschmissen. Das hat zur Folge, dass wir stets vor allem an verödeten Tankstellen oder verlassenen Dörfern nach Benzin suchen müssen, um unseren schnell geleerten Tank auf Betriebstemperatur zu halten. Days Gone nimmt dieses Feature bemerkenswert ernst und so kann es ohne Blick auf die Tankanzeige schnell passieren, dass wir mitten in der Pampa zum Stillstand kommen und leichte Beute für das gerade zu Beginn meist viel zu starke Arsenal an blutrünstigen Fressfeinden werden. Die Natur hetzt uns Bären und Wölfe ebenso auf den Hals wie fallenstellende Plünderer, durchgedrehte Okkultisten mit Faible für schmerzhafte Körperkunst oder natürlich die überall herumvagabundierenden Zombies, die hier Freaker heißen.

Die markieren ein weiteres, neben der opulent bedrohlichen Open World vielleicht sogar das Highlight von Days Gone. Denn diese Zombievariation taucht bevorzugt in ganzen Horden mit hunderten von Artgenossen auf und bringt unseren Helden mangels starker Kondition und wenig Lebensenergie oft ins Schwitzen. Wenn wir etwa ganz allein eine solche Horde ausrotten und dazu mithilfe von gut gestellten Fallen und akribischer Munitions- und Bezinplanung vorgehen müssen, ist ein hoher Adrenalinpegel vorprogrammiert. Doch auch in kleinen Dosen sind die flinken Freaker wie alle Widersacher äußerst gefährlich und so bleiben die über mehrere Skilltrees verteilten und mittels gewonnener Erfahrungspunkte erzielten Fähigkeitenerweiterungen für Nah- oder Fernkampf ein konstant spannender Gameplay-Faktor während der gesamten Kampagne.

Auch die Organisation der Spielwelt weiß in diesem Kontext zu gefallen. Im Gegensatz zu Assassin´s Creed und Co. hält sich die Dichte an Aufgaben stets überschaubar und übersichtlich auf der Map. Nie haben wir das Gefühl, simple Sammelaufgaben oder der Freischaltung von Aussichtspunkten abzuarbeiten, obwohl sich leider die optionalen Nebenmissionen abseits der Hauptstory schnell wiederholen. Meist gilt es feindliche Camps zu überfallen, Freakernester auszuräuchern oder abtrünnige Mitglieder befreundeter Camps für ein kleines Kopfgeld zur Strecke zu bringen. Alles nicht wirklich spektakulär, doch wie bereits angedeutet, lebt das Gameplay von seiner tödlichen Lebendigkeit, die jede Mission möglicherweise mit kleineren Überraschungen garniert.

Um den Survival-Aspekt trotz des konventionellen Missionsdesigns zusätzlich variabel zu halten, ergeben sich für Deacon dank Anschleichen, Fallenstellen oder auch einfach nur auf die Gunst plötzlich angreifender Tiere zu warten stets viele Optionen, die das Spiel nur selten mit zu streng gefasstem Storytelling ausmanövriert. Wildes Drauflos-Ballern ist hier definitiv kaum bis nie eine erfolgsversprechende Option.

So richtig nervig kann es nur dann werden, wenn wir bei einigen der Lausch-Missionen nicht zu weit von unserem Ziel entfernt sein dürfen, allerdings gleichzeitig darauf achten müssen, nicht von den Mitarbeitern der Nero-Corporation entdeckt und damit aus der Runde genommen zu werden. Ein zu eng angelegtes Raster ohne Freiheiten, bei dem es nur darum geht, den von den Programmierern vorgegebenen Weg durch die Aufgabe zu finden, macht eben nur selten Spaß. Kommt aber hier glücklicherweise nicht allzu häufig vor.

Unschön können auch in technischer Hinsicht einige eklatante Bugs oder der Einbruch der Bildrate speziell während intensiverer Bike-Touren ausfallen. Beides nimmt uns trotz schicker Lichteffekte, malerischer Seen, guter Sprecher und zahlreicher Details sowohl bei Tag oder Nacht manchmal unnötig den Wind aus den Segeln. Zur Verteidigung der Macher sei aber darauf hingewiesen, dass mehrere Patches seit Release für merkliche Verbesserungen gesorgt haben. Warum denn nicht gleich so? Gerade als PS4-Exklusivtitel, der sich Anpassungen an mehrere Konsolen ja sparen konnte, sollte man bei einem Release diesen Kalibers mehr erwarten können.

Das Flair einer zerfallenen Welt holt sich die Story mithilfe verschiedener Tricks, die einem wie bereits angedeutet vor allem aus The Walking Dead bekannt sind. So existieren verschiedene Lager, die jeweils eigene Binnenstrukturen aufweisen und unterschiedliche Sozialsysteme repräsentieren. Während es in einem Lager unter der Führung einer diktatorischen Oberin um knallharte Arbeit unter Aufsicht geht, führt ein anderes Camp etwa demokratische Werte als letzte Bastion gegen die allgegenwärtige moralische Verrohung und den grausamen Egoismus ins Feld. Die über Funk geführten Gespräche oder die betont kruden Verschwörungstheorien im Rahmen einer Radiosendung ziehen dabei durchaus kleinere Parallelen zur Gegenwart, ohne allerdings wirklich in die Tiefe zu gehen.

Gerade weil Deacon als überharter Hinterland-Biker und Ex-Gangmitglied jede Konfrontation letztlich immer mit Gewalt lösen muss und die Macher dies sogar oft übertrieben plakativ als einzigen Ausweg vorgeben, macht sich Days Gone ideologisch wie moralisch nicht verdient um zumindest den Anschein einer Alternative in Sachen Weltanschauung. Man ist ja schließlich doch ein primär auf Schießen ausgelegtes Game. Das ist nicht verwerflich, dennoch wäre es zuweilen schön, wenn die Story sich nicht immer bleischwer der Spielmechanik unterordnen würde.

Insgesamt wandelt Studio Bend auf lang bewährten Open World-Pfaden und mischt gekonnt Survival-Mechaniken mit teils brutaler Action. Held Deacon bietet mit Bike, Waffen und zahlreichen (Crafting-)Fähigkeiten genug Potenzial, um uns spielerisch bei Laune zu halten und auch wenn die Geschichte fast alle angerissenen Stränge leider nicht dramatisch wuchtig genug zu einem wirklich mitreißenden Ende führt, packt die düster dystopische Endzeit-Atmosphäre von der ersten bis zur letzten Stunde.

Wer beispielsweise die letzten beiden ebenfalls im amerikanischen Hinterland angesiedelten Far Cry-Ableger schon berauschend fand, wird bei Days Gone erst recht mit der Zunge schnalzen, wenn Deacon beispielsweise im weiten Gelände einer stillgelegten Fabrik von einer Freaker-Horde überrascht und zum Rückzug über das Gebirge gezwungen wird. Frust kommt jedoch aufgrund stets fair gesetzter Checkpoints, mehrerer frei wählbarer Schwierigkeitsgrade und einer soliden Lernkurve im Umgang mit neuen Waffen und Umgebungen nicht wirklich auf, sodass selbst eher unbedarfte Genre-Neulinge nach kleineren Anlaufschwierigkeiten (etwa bei der anfangs arg empfindlichen Steuerung des Bikes) ihre Freude haben werden.

Aber Vorsicht: Richtig sicher kann man sich nie fühlen und selbst ein am Ende vollständig hochgezüchteter Deacon ist immer noch leichte Freaker- oder Bärenbeute, wenn man unvorsichtig agiert. Dass Studio Bend dieses Gefühl auch ohne überkomplexe Survival-Lasten wie Hunger oder Durst hochhält und man bei jeder Fahrt durch einen dunklen Verbindungstunnel voller Rostlauben oder der nächtlichen Suche nach Crafting-Material von latentem Angstschweis begleitet wird, ist als echtes Kompliment zu verstehen. Aber jetzt ist es bitte mal wirklich gut mit Zombie-Apokalypsen, die gerade inhaltlich nur gewohntes Terrain abschöpfen. Wo bleibt eine echte Neuerfindung des Zombie-Survivals?

Fazit

Eine stimmungsstark präsentierte, ungemein packende Spielwelt im Verbund mit gut ausbalancierten Survival- und Action-Elementen, machen Days Gone zu einem würdigen Blockbuster-Highlight für PS4. Leider bremst sich der Titel mit inkonsequentem Storytelling und eher eintönigem Missionsdesign selbst etwas aus. Wer von Zombies immer noch nicht genug hat, sollte dennoch unbedingt den Trip ins Freaker-verseuchte Oregon antreten.

Days Gone • Bend Studio/Sony • Survival-Open World/Action-Adventure • PS4

Abbildung © Bend Studio/Sony

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