23. Februar 2022

„Dying Light 2: Stay Human“ – Ein wilder Städtetrip

Die Fortsetzung der Zombieapokalypse scheidet zurecht die Geister

Lesezeit: 4 min.

Eigentlich ist es nie ein gutes Zeichen für Spiele, wenn über sie vorab hauptsächlich darüber berichtet wird, ob man nun in der deutschen Fassung tatsächlich Grausamkeiten wie Enthauptungen durchführen kann oder warum sich der Release zigfach verzögert. Gerade letzteres lässt einfach zu oft den Schluss zu, die Entwickler hätten sich inhaltlich verrannt. Im Fall von Techlands Open World-Fortsetzung Dying Light 2 (digital seit dem 4. Februar zum Vollpreis für Konsole und PC erhältlich) ist es allerdings mit Blick auf das Resultat gar nicht so leicht, sich zwischen einem negativen „Das war doch klar“-Kommentar oder offener Begeisterung zu entscheiden. Denn nach Abschluss der rund 30 Spielstunden dauernden Storykampagne ist man als Tester extrem hin- und hergerissen.

Doch worum geht es eigentlich? Dying Light 2 ist ein postapokalyptisches Zombieabenteuer, in dem wir – aus der Egoperspektive – mit Protagonist Aiden Caldwell nach unserer Schwester Mia suchen. Unsere Suche verschlägt uns in die fiktive europäische Großstadt Villedor, in der sich neben zahlreichen Untoten verschiedene Fraktionen eingenistet haben, die sich natürlich alle eher spinnefeind sind. Aiden leidet dazu unter einer seltenen Mutation, die dazu führt, dass unser Held bei Nacht nicht lange unterwegs sein kann, ohne Schaden zu nehmen. Das mag zwar eine herrlich dumme Begründung für Zeitdruck bei Nacht sein, funktioniert aber als Spannungsbringer erstaunlich gut.

Im Kern präsentiert uns Techland mit Villedor einen riesigen Open World-Spielplatz, der allerdings dank vieler Parkourelemente nicht zur reinen Hau drauf- und Dialogkulisse verkümmert. Haben wir Aiden mithilfe eines recht üppigen, anfangs jedoch recht mühsam ausgebauten Talentbaumes mit weiteren Fähigkeiten versorgt, rennen, hüpfen, sliden und schnetzeln wir uns elegant wie tödlich durch die in weiteren Vierteln zunehmend vertikaler aufgebauten Straßenzüge der Stadt. Überall in der manchmal überraschend grünen Stadt warten Nebenmissionen mit teils richtig ansprechenden Aufgaben, die teilweise knackige Entscheidungen von uns verlangen.

Dazu verändert sich das Flair (und auch die Gegner) bei Nacht spürbar, sodass wir froh sind, mit verschiedenen ausbaubaren Waffen (gerne mit Zusatzeffekten wie Elektroblitzen) gegen räuberische Banden oder unerwartet flinke und damit trotz vieler Speicherpunkte angenehm herausfordernde Untote vorgehen zu können. Der Fokus liegt klar auf Nahkampf, was zu intensiven Gefechten führt, in denen eben auch Geschick gefragt ist und nicht plumpe Schießkunst. Dazu lassen sich via Crafting haufenweise Items wie Bomben oder Minen herstellen, mit deren Hilfe wir den Gegnern – gerne auch in Form einer Schleicheinlage – die Lichter auspusten. Die nötigen Ressourcen stöbern wir überall in der Stadt auf, sodass die Kraxelei durch Villedor auch abseits der Haupt- und Nebenmissionen immer schön motivierend bleibt. Zumal wir in Dying Light 2 wahlweise mit mehreren Mitspielern im Onlinekoop unterwegs sein können und so eine Prise Teamwork ins Spiel kommt.

Vor allem der Einstieg macht dazu richtig Lust auf Story, Figuren und Setting, da sich die Macher merklich an der Intensität eines The Last of Us orientiert haben, ohne offen Ideen zu klauen. Die einzelnen Fraktionen Villedors, aber ebenso teils witzige, teils hochdramatische Begegnungen mit NPCs laden dazu ein, Entscheidungen gut abzuwägen, da man sich beispielsweise bald einer Fraktion anschließen muss und so den weiteren Verlauf der Handlung zumindest in Ansätzen prägt – mehrfache Durchläufe sind also durchaus erwünscht.

Gerade weil Techland mit greifbaren Charakteren auf jeder Fraktionsseite hantiert, zieht die Geschichte zunächst in ihren Bann. Leider kann der Titel sein Anfangsniveau speziell gegen Ende überhaupt nicht halten und sowohl die Suche nach Mia als vor allem Aiden selbst bleiben blass bis völlig wirr erzählt. Zur Profillosigkeit Aidens passt die unglaublich flaue deutsche Synchro inklusive vieler Übersetzungsschnitzer. Die wesentlich bessere englische Fassung legen wir aber allen sehr ans Herz.

Leider entpuppen sich weitere Aspekte als ebenfalls nicht durchgängig überzeugend. Die Bossfights sind einfallslos, die Spielwelt letztlich doch zu generisch und die Parkourelemente nutzen sich mit der Zeit ab. Techland hatte ja u.a. damit geworben, dass man ca. 500 Stunden in Villedor verbringen könnte, bis man wirklich alles gesehen hat. Doch während dies für ein Cyberpunk 2077 (mittlerweile) tatsächlich annähernd stimmt, zeichnet sich bei Dying Light 2 ein solcher Langzeitspaß noch nicht ab. Einstieg, Setting und Gameplay versprechen zu Beginn zu viel, was das Folgende nicht halten kann. Insofern tappt der Titel in die leider doch sehr üblich gewordene Open World-Falle zahlreicher Genreblockbuster aus dem Hause Ubisoft, in der mehr Masse statt Klasse angeboten wird – Bewegungsfreiheit und eingängiges Spielgefühl hin oder her.

Damit wir uns aber nicht falsch verstehen: Ähnlich wie Ubisoft-Franchises wie Far Cry, macht Dying Light 2 viel Spaß und unterhält sehr solide. Wer aber wirklich einen Superhit erwartet, wird eher enttäuscht sein. In diese Kerbe schlägt im Übrigen gleichfalls die Technik. Auf PS4 und 5 sieht Dying Light 2 richtig gut aus, kann aber grafisch nicht durchgängig in der AAA-Liga mithalten. Und um auch das noch zu ergänzen: Nein, in der deutschen Fassung können menschliche Gegner nicht zerteilt werden. Wer braucht sowas eigentlich?

Fazit

Wer nach Genrekollegen wie Days Gone, World War Z oder The Last of Us weiteren Zombie-Nachschub braucht, wird gut bedient. Allerdings hält der Open World-Actionparkour nicht über volle Strecke das, was die ersten Stunden versprechen.

Dying Light 2: Stay Human • Techland • Open World/Action-Adventure • PS4/PS5/Xbox One/Xbox Series X/PC

Abb. © Deep Silver

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