30. Mai 2019 1 Likes

Der bessere Mensch

Ian McEwans „Maschinen wie ich“ ist erschienen

Lesezeit: 2 min.

Der britische Autor Ian McEwan hatte das große Glück schon mit seiner ersten Kurzgeschichtensammlung „Erste Liebe, letzte Riten“ (1975) einigen Erfolg zu haben. Mit den anschließenden Romanen – wie „Der Zementgarten“ (1978), „Der Trost von Fremden“ (1981), „Abbitte“ (2001), „Am Strand“ (2005) oder „Honig“ (2012) – setzte er sich dann auf den internationalen Bestsellerlisten fest und hatte wiederum das Glück, dass ihm auch die Literaturkritik sehr wohlgesonnen war und bis heute blieb. Da war ein Autor, der selbst schwierige und komplexe Themen auch für eine breite Leserschicht sehr attraktiv aufbereitete. Eher eine Seltenheit.

Bereits in „Ein Kind zur Zeit“ (1987) hatte McEwan phantastische Motive eingebaut, aber sein neuestes Buch „Maschinen wie ich“, das gerade erschienen ist, ist nun Science-Fiction reinsten Wassers. Es ist ein Alternativweltroman, der 1982 spielt, doch diese Welt sieht ziemlich anders aus als das 1982 unserer Wirklichkeit ausgesehen hat. Die entscheidende Weichenstellung geschah 1952, das Jahr, in dem Alan Turing vor die Wahl gestellt wurde, wegen seiner Homosexualität in den Knast zu wandern oder sich einer chemischen Kastration zu unterziehen. In McEwans Welt wählt Turing die Haft und begeht deshalb 1954 nicht Selbstmord, sondern hat in seiner Haftzeit bahnbrechende Ideen, die das Computerzeitalter zeitlich deutlich nach vorne verlegen.

Ergo gibt es bereits 1982 Smartphones und selbstfahrende Autos, der Brexit ist den Briten allerdings erhalten geblieben. Im Mittelpunkt des Romans steht der 30-jährige Charlie, der leider nicht so helle ist wie Alan Turing, an der Börse spekuliert und sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Miranda einen Roboter leistet, quasi als Kindersatz. Und dieser „Adam“ sieht aus wie ein Mensch und verhält sich auch wie einer. Seine künstliche Intelligenz ist so hochentwickelt, dass er Gefühle entwickelt und auch einen prima Liebhaber abgibt. Was Miranda gleich mal ausprobieren muss.

Doch McEwan geht es nicht um Schlüpfrigkeiten. Vielmehr stellt er Charlie den perfekten Menschen gegenüber, denn Adam ist so programmiert, dass er keine Fehler macht, auch keine moralischen. Das wird für manch einen von Adams Kollegen und Kolleginnen (Eves, logo) auch zum Verhängnis, denn die krassen Widersprüche zwischen dem, was Menschen an Erkenntnissen und Wissen gesammelt haben und dem, wie sie sich trotzdem verhalten, kann auch die eine oder andere AI nicht verkraften – und begeht Maschinenselbstmord.

Aber McEwan wäre nicht McEwan, wenn er der Sache nicht auch etwas Gutes abgewinnen könnte. Denn erst die Fehler ermöglichen es den Menschen, „Kunst“ zu produzieren, Romane zu schreiben über die eigenen Unzulänglichkeiten. In Schönheit sterben, könnte man etwas sarkastisch sagen. Besser als langweilig zu leben. Sind das Alternativen? Diese Frage stellt „Maschinen wie ich“ in den Raum und findet natürlich keine Antwort, wozu auch?

Ian McEwan: Maschinen wie ich • Aus dem Englischen von Bernhard Robben • Zürich 2019, Diogenes • 416 Seiten • € 25,–

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