11. Juli 2019

Neues aus Gilead

Die dritte Staffel von „The Handmaid's Tale“ tritt auf der Stelle

Lesezeit: 3 min.

Selten fühlte sich eine Fernsehserie so zeitgemäß an wie die erste Staffel von „The Handmaid’s Tale“. Als die erste Folge am 26. April 2017 ausgestrahlt wurde, war Donald Trump gut drei Monate im Amt, steigerten sich die Kassandra-Rufe über den neuen amerikanischen Präsidenten ins schier unermessliche, kam eine Serie genau richtig, die in einer dystopischen Welt spielte, in der ein Teil der weiblichen Bevölkerung zu Gebärmaschinen degradiert wurde.

Ein paar Monate später gewann „The Handmaid’s Tale“ dann auch als erste Serie eines Streaming-Anbieters den Emmy für die beste Drama-Serie, doch wieder einige Monate später ging es in die zweite Staffel. Aus kommerziellen Gründen war das nachvollziehbar, aus künstlerischen schon weniger. Die Romanvorlage von Margaret Atwood hatte Stoff für eine Staffel geliefert, nun waren die Macher auf sich selbst gestellt und hatten schnell Schwierigkeiten, die Serie organisch weiterzuentwickeln, der düsteren Atmosphäre eines autokratischen Unterdrückungssystems treu zu bleiben, aber gleichzeitig dem Zeitgeist zu huldigen und eine starke, feministische Frauenfigur zu zeigen, die sich nicht unterkriegen lässt und gegen das System aufbegehrt.

Stilistisch blieb „The Handmaid’s Tale“ stark, auch das Grundkonzept einer hierarchischen Gesellschaft, in der die Menschen in Herrscher und Unterdrückte aufgeteilt sind, blieb als Metapher für Entwicklungen der Gegenwart relevant, doch wie es weitergehen sollte, konnte weder die zweite Staffel überzeugend erklären, noch die ersten Folgen der nun zu sehenden dritten.


Das Feuer ist aus. Yvonne Strahovski in „The Handmaid’s Tale“

Immer noch steht die von Elisabeth Moss gespielte June im Mittelpunkt, deren Baby Ende der zweiten Staffel aus dem despotischen Gilead ins Ausland, ins sichere Kanada geschafft wurde. June allerdings blieb freiwillig zurück, sie sieht sich aus schwer nachzuvollziehenden Gründen als Anführerin einer Rebellion, die endlich das System zu stürzen gedenkt. Ein System, das sich in den ersten Folgen seltsam inkonsequent verhält, June Verhaltensweisen nachsieht, die bei anderen Figuren längst zur Hinrichtung geführt haben. June dagegen agiert erstaunlich frei, auch wenn sie nun Hausmagd bei eben dem Commander Lawrence ist, der ihrem Baby die Flucht ermöglichte.

Lange tritt die Serie nun auf der Stelle, variiert Momente der ersten Staffeln, zeigt das repressive System in voller Stärke bis nach vier, fünf Folgen endlich ein wenig Bewegung in die Sache kommt. Verhandlungen zwischen Gilead und Kanada werden aufgenommen, das Baby wird zum Spielball der nationalen Interessen, was unweigerlich an Fälle wie den Kubaner Elias denken lässt, um den Amerika und Kuba lange stritten, viel mehr natürlich an das momentane Chaos an der amerikanisch-mexikanischen Grenze.

Solche Bezüge zu gegenwärtigen sozialen und politischen Themen machen es schwer, „The Handmaid’s Tale“ als Serie komplett abzuschreiben, lassen die Hoffnung am Leben, dass die Macher einen Plan haben, der spätestens in der zweiten Hälfte dieser Staffel Früchte trägt. Wird dieses Versprechen eingelöst bleibt wohl nur, sich an der extrem manierierten aber eindrucksvollen Machart zu erfreuen – oder doch aufzugeben und es mit einer der circa 529 anderen aktuellen Serien zu versuchen.

The Handmaid’s Tale • Creator: Bruce Miller • Darsteller: Elisabeth Moss, Joseph Fiennes, Yvonne Strahowski, Max Minghella, Ann Dowd, Samira Wiley

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