29. April 2017 2 Likes

Die Zukunft rückt näher

Margarat Atwoods „The Handmaid's Tale“ erweist sich in der TV-Neuverfilmung aktueller denn je

Lesezeit: 3 min.

Über Historienfilme (oder -romane) wird gern gesagt, dass sie mehr über die Zeit aussagen, in der sie geschrieben werden, als über die, in der sie spielen. Gleiches gilt allerdings auch für Science-Fiction, für Dystopien oder für das Subgenre „Spekulative Fiktion“, als das Margaret Atwood ihren Roman „The Handmaid’s Tale“ verstanden wissen möchte.

1985 erschienen, imaginierte Atwood eine Welt, in der demokratische Strukturen durch eine fundamentalistisch-religiöse Autokratie ersetzt sind. Vor allem aber beschrieb sie die Rolle der Frauen, deren Rechte massiv eingeschränkt wurden, die sich in vorgegebene Rollen fügen müssen und ganz dem Willen der Führer untergeordnet leben. Unter anderem als Gebärmaschinen, die in Zeiten zurückgehender Geburtenraten für den Erhalt der Rasse sorgen sollen. Eine dieser Frauen ist Offred, aus deren Perspektive Atwoods Roman, die 1990 entstandene erste Verfilmung und nun auch eine neue, auf zehn Folgen angelegte Mini-Serie erzählt ist.

Es ist natürlich Zufall, dass mit der Ausstrahlung der Serie genau jetzt, ziemlich exakt zum 100. Tag der Trump-Präsidentschaft begonnen wird; einerseits. Andererseits ist es eben doch bezeichnend, dass vor vielleicht anderthalb, zwei Jahren mit der Arbeit an der Neuverfilmung begonnen wurde: Obama war noch im Amt, zumindest liberale Kommentatoren konnten sich kaum vorstellen, dass sich die gesellschaftlichen Entwicklungen, die in den letzten Jahre begannen, aufhalten lassen würden, eine geradezu utopische Welt, in der wirkliche Gleichheit herrschen würde, schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. All das ist nun nicht mit einem Schlag vorbei – auch wenn Pessimisten mit Amtsantritt Trumps gleich den Teufel an der Macht sehen –, doch langsam wird auch dem größten Gutmenschen klar, dass nicht jeder Bürger der westlichen Welt grundsätzlich begeistert von gleichen Rechten für Alle, von jeglicher sexueller Freiheit, von Homo-Ehe und Transgender-Toiletten ist.

Das erschreckende an der Welt, die in „The Handmaid’s Tale“ gezeigt wird, ist, wie wenig Fantasie es bedarf, sich die hier gezeigte Welt als mögliche Zukunft vorzustellen. Kaum ein Aspekt dieser dystopischen Welt ist reine Fiktion, manches hat es so schon gegeben, anderes ist im Weg zu entstehen, allein die Akkumulation macht diese Welt noch irreal. In einer äußerlich bukolischen Ortschaft, ordentlich und friedlich, leben die in einer Art Nonnentracht gekleideten, zum Gebären ausgesuchten Frauen unter ständiger Beobachtung. Einerseits scheinen sie frei zu sein, ihren Platz in der Gesellschaft eingenommen, sich den strengen Formalien untergeordnet zu haben, doch diese Freiheit ist nur eine Schimäre. Was nicht zuletzt auch für die so genannten Herrscher gilt, die Hüter der Ordnung, die im Endeffekt ebenso den von ihnen aufgestellten Regeln unterworfen sind, wie jedes Mitglied dieser rigiden Gesellschaft. Unfreiheit in scheinbarer Freiheit: So ließe sich auch der Konsumkapitalismus beschreiben, in dem materieller Besitz oft als wichtigstes Kriterium des Wert eines Menschen betrachtet wird, so wie äußerliche Schönheit immer noch allzu oft als das wichtigste Merkmal einer Frau gesehen wird.

Noch ist die Welt von „The Handmaid’s Tale“ nicht die Gegenwart, doch wie leicht es ist, Parallelen zwischen Margaret Atwoods Fantasie und der Welt von heute zu ziehen, macht sie zu genau der richtigen Serie für diesen Moment

Abb.: © 2016 Hulu

The Handmaid’s Tale • Creator: Bruce Miller • Darsteller: Elisabeth Moss, Joseph Fiennes, Yvonne Strahowski, Max Minghella

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