Milchstraßenverkehrsordnung
Das Berliner Künstlerhaus Bethanien fragt nach den Folgen der Eroberung des Weltalls
„Space is the Place“ proklamierte der afro-amerikanische Musiker Sun Ra schon vor vielen Jahren, doch was genau mit dieser weitgefassten Aussage gemeint war, blieb offen. Je nach Weltlage- und stimmung scheint der Blick auf dem Weltraum, den wir Menschen einnehmen, sich zu wandeln: Mal ist er utopisches Heilsversprechen, bietet den Raum und die Ressourcen, die auf der Erde knapper werden, mal Ort dystopischer Bedrohung, der Gefahren bringt und zum Ende allen Lebens auf der Erde führen könnte.
Zwischen diesen Extremen oszilliert auch die nach Stanislw Lew betitelte Ausstellung „Milchstraßenverkehrsordnung“, die bis zum 15. September im Berliner Künstlerhaus Bethanien unterschiedlichste Positionen zum Thema aufzeigt.
Die Faszination, die einst von der Raumfahrt ausging zeigt sich bei kaum einem Künstler so deutlich, wie David Bowie, der in seiner Ziggy Stardust-Phase erst recht wie ein Außerirdischer wirkte. Ein Konzertausschnitt aus einem Film des gerade verstorbenen Dokumentarfilmregisseurs D.A. Pennebaker zeigt Bowie auf dem Höhepunkt seines Ruhms, Anfang der 70er Jahre, als die Verklärung des Weltraums gerade in der amerikanischen Pop-Kultur kaum Grenzen kannte. Besonders die Cover von mehr oder weniger psychedelisch angehauchten Platten imaginierten sphärische Räume, grellbunte Landschaften ferner Planeten, auf denen man mit Hilfe der Musik – und den entsprechenden Pülverchen – wandeln konnte.
Auch Kubricks legendärer „20001-Odysse im Weltraum“ gab sich utopischer Phantasien hin, die Brigitte Waldach zu einer Rauminstallation inspirierte: Via Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“ spannt sie den Bogen von Kubrick zurück zu Nietzsche, dem sie das leicht verfremdete Zitat „Die erschreckende Tatsache über das Universum ist nicht, dass es feindselig ist, sondern gleichgültig…“ in den Mund legt, vielleicht auch ein Verweis darauf, dass Dystopien und Utopien zwei Seiten einer Medaille ist.

Besonders in Osteuropa war der Umgang mit den Versprechen der Raumfahrt deutlich zwiespältiger, war vielen Bürgern doch schnell klar, dass die Errungenschaften von Kosmonauten der russischen Raumfahrt nicht kaschieren konnten, wie die Wirtschaft auf dem Boden der Tatsachen zunehmend darbte. Der aus Dresden stammende Via Lewandowsky thematisiert dazu in seinem multimedialen Werk „Last Call (Komarow-Gedächtnisraum)“ das immer noch ungeklärte Schicksal des Kosmonauten Vladimir Komarov. Dieser kam 1967 beim Wiedereintritt in die Atmosphäre ums Leben, möglicherweise war er mit einem kaum funktionstüchtigen Raumschiff ins All geschickt worden und wurde so das erste Opfer im Wettlauf zum Mond.
Die dunkle Seite ist hier zu spüren, lange verheimlicht, denn solche Rückschläge waren in der Utopie des Sozialismus nicht vorgesehen. Ganz emblematisch zeigt sich hier die Erkenntnis, dass Künstler und Autoren, Filmemacher und Visionäre auch beim Blick in die Weiten des Weltraums doch vor allem nach Innen schauen und die Zustände und Entwicklungen auf der Erde reflektieren, auch und gerade wenn sie ferne Planeten zeigen.
Großes Bild ganz oben: Thomas Raven.



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