13. Februar 2020 2 Likes

Mensch am Draht

Das Cyberpunk-Adventure „7th Sector“ bringt nicht nur Hirnwindungen zum Glühen

Lesezeit: 3 min.

Eine der vielen denkwürdigen Momente dieses Titels erlebt man sogar während des Abspanns. Denn kaum zu glauben, aber (anscheinend) wahr: 7th Sector wurde – mit Ausnahme des Soundtracks – von nur einer Person programmiert, nämlich dem russischen Designer Sergey Noskov. Der beweist mit seiner One-Man-Show ohne Einschränkung sein herausragendes Potenzial für luzides Gameplay sowie anspielungsreiche Settings und legt ein düsteres Rätsel-Adventure vor, das sich vor den großen wie üblichen Referenzvergleichen im dystopischen Adventure-Kosmos wie Inside nicht verstecken muss.

In 7th Sector (das zunächst für PC und nun seit diesem Monat auch für PS4, Xbox One und Switch für um die 20 Euro erhältlich ist) dreht sich alles um Maschinen, Menschen und deren Verbindungen. Wo diese hinführen und was alles miteinander verschaltet, aber genauso auch voneinander abgetrennt und kontrolliert werden kann, ist eines der Grundthemen der gut 4-5 Stunden dauernden Kampagne. So beginnt man das Geschehen als Funke, der sich von einem Fernseher aus über Stromleitungen hinweg auf eine Reise durch eine Stadt begibt, in der offenbar Maschinen, KIs und Roboter die Kontrolle über die Gesellschaft der näheren Zukunft übernommen haben. Unser Ziel besteht darin, verschiedene „Hüllen“ wie Drohnen, kleine Autos oder Computer zeitweise zu übernehmen, um uns Zutritt zu neuen Arealen zu verschaffen und so weitere Informationen über die Welt und deren Hintergründe zu sammeln.

Das Gameplay hält sich dabei die Waage zwischen typischen Zahlencode- und Mechanikrätseln, bei denen Türen geöffnet oder Symbole angeordnet werden müssen, sowie kleineren Actioneinlagen, in denen wir etwa innerhalb eines meist strikten Zeitlimits Gegenstände balancieren, Hindernisse überwinden oder gar vor Feinden flüchten müssen. Ein wesentlicher Faktor besteht darin, dass kaum eine Mechanik oder Aufgabe offensiv erklärt wird, sondern man praktisch alles selbst über die sich in der Spielwelt vermittelnden Hinweise herausfinden muss – eine gewisse Lust am Herumprobieren und exakten Beobachten ist also Grundvoraussetzung.

Das trägt zwar zum immersiven Spielgefühl bei, sorgt jedoch gerade in den zeitkritischen Situationen gelegentlich für Frust. Eine wirklich runde, nicht so unnötig träge Steuerung hat das Spiel nämlich auch auf Konsole (wir spielten PS4) nicht spendiert bekommen. Punktgenaue Rücksetzpunkte mildern dieses Manko aber erheblich und richtig schwierig wird das Geschehen für erfahrene Knobler selbst zum Ende hin nicht.

Die eigentlichen Stars des Spiels sind aber tatsächlich weniger die Herausforderungen als vielmehr Spielwelt und Präsentation, die in ihrer konzentrierten Reduktion nie ihren Fokus verlieren. Ob nun als Funke, Drohne oder später sogar Mensch; 7th Sector versteht es mustergültig, uns in seinen düsteren Bann zu ziehen und schon allein im Hintergrund immer wieder seine wesentlichen Motive anzudeuten und umzusetzen. Rebellierende Menschen, schießende Überwachungsroboter und bitterkalte Gefängniskomplexe sind da nur die Spitze des subtil erzählten Eisberges, der nahezu gänzlich ohne Sprecher und Text auskommt. Reminiszenzen an Klassiker wie Blade Runner sind dabei ebenso ersichtlich wie Anspielungen an gegenwärtige Regime wie China. Allerdings all das trotz klar durchexerzierter Mensch-Maschine-Konstellation in einer verdichteten Form, die wie Inside, Limbo und Co. Raum für Interpretation lässt.

Gerade der ebenfalls an die 80er angelehnte Elektro-Soundtrack von Nobody´s Nail Machine, der sich meist zurückhält und situativ untermalt, trägt viel zur packenden Atmosphäre bei. Fliegen wir z.B. als Drohne durch eine verregnete Anlage, in der uns nur vereinzelte Lichtkegel den Weg weisen, geht der trockene Sound eine perfekte Verbindung mit den Lichteffekten ein, die nichts anderes als ein permanentes Unwohlsein evoziert – man könnte an dieser Stelle zig weitere Beispiele aus allen Passagen nennen. Aufwändige Grafiken, um die manchmal etwas altbackenen Figurenmodelle aufzupeppen, sind bei einem Indie-Projekt wie 7th Sector natürlich trotz allen Bemühens nicht inbegriffen. Jedoch hat Noskov mit seinem Design offenkundig alles getan, um dies so gut abzufedern wie möglich. Auch in dieser Hinsicht gebührt dem Macher viel Applaus.

Fazit

Spielerisch zwar nur überdurchschnittliches Adventure, dessen dystopischer Mensch-Maschine-Ansatz aber durchwegs zündet.

7th Sector • Sergey Noskov/Sometimes You • Adventure • PS4/Xbox One/Switch/PC

Abb. © Sergey Noskov/Sometimes You

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