6. März 2017 1 Likes

Augmented Prison Break

Der finale DLC zu „Deus Ex: Mankind Divided“

Lesezeit: 5 min.

Seit Jahren gehört es zur Produktpolitik großer Franchises, die Langlebigkleit eines Games mit mehreren kostenpflichtigen Zusatzinhalten (DLCs) zu erhöhen. Diese Praxis ist bei Fans umstritten, denn häufig entpuppen sich die nachgereichten Häppchen als wenig eigenständiges Spielerlebnis oder gar als lauer, eher knapp bemessener Aufguß. Im besten Fall kann ein DLC allerdings ein gelungener Fanservice sein, der zu einem kleinen Aufpreis sowohl Story wie Gameplay sinnvoll erweitert oder zumindest würdig fortsetzt. Eidos Montreal untermauerte diese Zweischnieidigkeit mit der bisher veröffentlichten Zusatzepisode zum Cyberpunk-Epos Deus Ex: Mankind Divided. Denn System Rift, so der Name des DLC, bot innerhalb seiner gut zwei bis drei Stunden Spielzeit eine gesunde Mischung aus Gewohntem und Neuem, ohne allerdings wirklich den Mut aufzubringen, ein völlig eigenständiges Game sein zu wollen. So konnten Fans des Hauptspiels einerseits zufrieden sein, andererseits aber nicht ganz zu unrecht bemängeln, dass System Rift auch genau so als normale Mission in der Story-Kampagne hätte stattfinden können. 

Mit dem zweiten und bereits letzten größeren DLC A Criminal Past, der nun ebenfalls für PC, PS4 und Xbox One erschienen ist, zeigen die Macher etwas mehr Mut zur Variation, ohne freilich das Deus Ex-Rad neu zu erfinden. Die erneut gut zweistündige Episode versetzt uns, wie aus der Reihe gewohnt, als Superagent Adam Jensen in ein Hochsicherheitsgefängnis für augmentierter Straftäter, wo wir undercover Informationen über einen angeblich geplanten Terroranschlag sammeln müssen. Da Jensen als Gefangener eingeschleust wird, werden wir mit einem kleinen Kniff (mal wieder) unserer hochtechnisierten Superkräfte beraubt und müssen vorerst allein mit Intuition, Übersicht und Geschick auskommen. Bereits kurz nach unserer Ankunft lernen wir mehrere Häftlinge kennen und erhalten Einblicke in einige höchst dubiose Vorgänge, die selbst vor dem Wachpersonal und der Gefängnisleitung nicht halt machen.

Wie für Deus Ex stilbildend, muss Jensen in den sehr gut geskripteten Dialogen oftmals folgenreiche Entscheidungen treffen, um an Informationen zu gelangen oder Freund wie Feind zu seinen Gunsten zu manipulieren, was gerade den Wiederspielwert merklich nach oben schraubt. Denn speziell an einigen Knotenpunkten der Handlung wirken sich unsere Aktionen deutlich auf das Verhalten unserer Umgebung aus, sodass wir es uns gut überlegen sollten, ob wir etwa einen heiklen Auftrag eines Insassen ausführen sollten, obwohl wir dessen Inhalt auch selbst gut gebrauchen könnten. Doch wollen wir unseren Auftraggeber wirklich verärgern und eine mögliche Bestrafung in Kauf nehmen? Alles manchmal nicht so einfach und die Autoren gaben sich auch diesmal viel Mühe, trotz einer nicht völlig offenen Storyline einige solcher Abzweigungen stimmig einzufließen zu lassen.

Gerade weil wir als Undercover-Häftling unterwegs sind, gewinnen die Stealth- und Spionageelemente im Storykontext stark an Glaubwürdigkeit, da die jederzeit schussbereiten Wachen und Kameras ebenso entsprechend empfindlich auf uns reagieren wie so mancher Häftling, dessen Vertrauen wir verspielt oder nie besessen haben. Ein weiterer, ebenfalls eingeschleuster Kontaktmann scheint trotz dieser unübersichtlichen Ausgangslage bald gefunden, doch als eine Gefangenenrevolte ausbricht und die Grenzen zwischen Freund und Feind endgültig jede ohnehin nur hauchdünne Trennschärfe verliert, nimmt die Story nach gemächlichem Einstieg bis zum Finale rasant an Fahrt auf. Besonders ein erzähltechnisches Element sorgt dabei für zusätzliche Spannung, da Jensen die Ereignisse der aus Mankind Divided bekannten (Doppel-)Agentin aka Psychologin im Rahmen einer Untersuchung zu berichten hat. Erzählung und tatsächliche Ereignisse müssen oder können manchmal nicht Hand-in-Hand-Gehen, wobei es eben auch an uns liegt, wie stark wir dieses Verhältnis mit unseren Aktionen beeinflussen. Eine kleine, wenn auch nicht zu unterschätzende Idee, die besonders im Gesamtkontext des Hauptspiels für ein wenig mehr Salz in der Suppe sorgt. 

Setting und Storyelemente bleiben zwar in ihren Auswüchsen jeweils überschaubar, da wir das Gefängnis während der Mission nicht verlassen, doch inmitten der Revolte auf uns selbst gestellt zu sein, macht aufgrund des erneut famos abwechslungsreichen Stealth-Gameplays viel Laune und fesselt nicht nur Fans mit einer Fülle an Optionen. Eine obligatorische Grundsatzwahl wirkt sich besonders auf das Gameplay aus: wollen wir nach einiger Zeit doch wieder mit oder gänzlich ohne unsere Augmentierungen vorgehen? Wer sich zu Letzterem entscheidet, erlebt selbst auf den niedrigeren Schwierigkeitsgraden ein beinhartes bis frustrierendes Spielerlebnis, während man mithilfe seiner aktivierten Fähigkeiten in jeder Situation zwischen offenem Feuergefecht und taktischem Agieren aus dem Verborgenen bestens aufgestellt ist. Das Gefängnis sorgt wie gewohnt für einen geeigneten Spielplatz und wimmelt nur so von Lüftungsschächten, geheimen Umwegen, verwinkelten Räumen, Verstecken und hackbaren Terminals, sodass jeder Fan der Vorgänger je nach Spielstil erneut bestens bedient wird. Wenig überraschend: technisch blieb alles beim alten. Das Design der Spielwelt und der Figuren wirkt extrem atmosphärisch und stimmig, dennoch nerven die etwas hölzernen Charakteranimationen und die nicht ganz zeitgemäße Texturqualität. Soundtrack und Vertonung der Figuren bewegen sich dagegen nach wie vor auf top Niveau. 

Fazit

Insgesamt überzeugt A Criminal Past mit seinem markant eigenständigen Prison-Break-Ansatz, der sich von den bisherigen Ereignissen im Mankind Divided-Kosmos merklich absetzt, ohne dessen fantastische Grundtugenden zwischen Action, Stealth, Adventure und Rollenspiel in irgendeiner Weise zu vernachlässigen. Zwar leidet der DLC an einem Mangel echter Höhepunkte, die nach Abschluss länger im Gedächtnis bleiben, und bietet bis auf das Setting und die Rahmenhandlung nichts Neues. Aber wie schon in mehreren DLC-Reviews (etwa zu Watch Dogs 2) an dieser Stelle kritisch angemerkt, sollte man bei einem Nachschlag zum überschaubaren Preis nicht zuviel erwarten. Gerade dann nicht, wenn es sich um eine Episode innerhalb eines etablierten Franchises handelt, das sich schon über Jahre zu einer umfangreichen Storyworld entwickelt hat. A Criminal Past ist daher letztlich nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als ein guter Abschluss des Kapitels Mankind Divided. Wer also vielleicht sogar erst jetzt auf diese Perle des Cyperpunk-Genres aufmerksam wird oder noch ein letztes Kaufargument brauchte, kann sich wahrscheinlich bald auf eine Edition mit allen DLC-Inhalten freuen und spätestens dann einer hoffentlich nicht in allzu ferner Zukunft erscheinenden Fortsetzung entgegenfiebern. 

Deus Ex: Mankind Divided - A Criminal Past • Eidos Montreal/Square Enix • RPG-Action-Adventure

Abb. © Eidos Montreal/Square Enix

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