25. Februar 2020

In die Zukunft mit T. C. Boyle

Die neue Storysammlung des berühmten Autors – mit SF-Gehalt

Lesezeit: 2 min.

T. C. Boyle ist nicht nur ein angesehener Autor vieler meisterhafter Romane („Wassermusik“, „Drop City“, zuletzt „Licht“ und „Die Terranauten“), sondern auch jeder Menge brillanter, wahnsinnig vielseitiger Kurzgeschichten. Auf Deutsch kam bei Hanser mit „Sind wir nicht Menschen“ gerade eine neue Storysammlung des 1948 geborenen Amerikaners als Hardcover und E-Book heraus.

Der Band wird von zwei verschiedenen englischsprachigen Publikationen gespeist, weshalb er sich in genauso viele Hälften teilen lässt: In der ersten warten realistische, exquisit geschriebene Erzählungen, die ursprünglich z. B. mal im „Playboy“ oder „McSweeny’s“ veröffentlicht wurden. Die Kurzgeschichten sind alle gewohnt gut komponiert, da Boyle praktisch aus dem Stand heraus Protagonisten, Probleme und Mikrokosmen erschafft, egal ob er von wandernden Rentnern, Porno-Enthüllungen, Tigern oder dem Einfluss von Weltraumschrott auf eine brüchige Beziehung erzählt. In der zweiten Hälfte des Bandes warten dann einige richtige und vor allem richtig gute Science-Fiction-Geschichten.


T.C. Boyle. Foto: Wikipedia

Hier wendet sich Boyle einer Zukunft zu, in der Kinder, Haustiere und Pflanzen genetisch perfektioniert werden, aber vieles sonst der natürlichen Imperfektion unterliegt. Ein Inuit-Dorf wird außerdem von einem Supersturm getroffen, wobei den Menschen das Wasser wegen der Erderwärmung bis zum Hals steht, und ein Restaurant-Besitzer sieht bizarre Chimären und Aliens. Auch sehr gut: Die Geschichte der Wiedererleben-Box, die ihre User die Vergangenheit in Endlosschleife durchleben lässt und an den frühen Philip K. Dick erinnert. Die starke Geschichte über eine jahrelange Dürre und die Entfremdung durch den Wassermangel komprimiert die Stimmung von Paolo Bacigalupis „Water“ (im Shop). Die die Story über das von Ameisen überrannte Dorf, eine Hommage an Italo Calvino, würde sicher auch Cixin Liu (im Shop) gefallen, dem Ameisenflüsterer der chinesischen Science-Fiction. Und wen das noch nicht überzeugt hat: Der Protagonist einer der letzten Erzählungen im Buch arbeitet an einem Comic. Über Jesus den Krieger. Dessen Panels Boyle beschreibt.

Die Werke und speziell die Kurzgeschichten von Tom Coraghessan Boyle sind immer lesenswert – dieser Band für SF-Fans aber noch mal ganz besonders.

T. C. Boyle: Sind wir nicht Menschen. Storys • Hanser, München 2020 • 400 Seiten • Hardcover: 23 Euro

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