1. März 2020

Und täglich grüßt das Arbeitstier…

Der beklemmende Psychotrip „Mosaic“

Lesezeit: 4 min.

Betörender Alptraum, Kritik an allgegenwärtiger Smartphonesucht oder gar ein Spiegelbild moderner Arbeitsplatzmonotonie – das vom kleinen norwegischen Studio Krillbite produzierte Mosaic (schon länger für PC, Xbox One und Switch sowie seit Anfang Februar endlich auch für PS4 erhältlich) ist auf den ersten Blick nicht leicht einzuordnen und bietet knackigen Symbolstoff. Da wäre schon der komplett durchschnittliche „Held“ des hier kredenzten monochromen Zukunftssettings, dessen erste Aktion nach dem Weckruf des Handys in der Tat darin besteht, sich buchstäblich eigenhändig mit Ohrfeigen aufzuwecken, ehe natürlich erstmal das dauerblickende Phone nach Meldungen zwingend gecheckt werden muss.

Die beinhalten neben plumper Sensation und zugeschnittenen Tagesnews stets den förmlich verpackten, allerdings deshalb nicht weniger bedrohlichen Hinweis, ja nicht zu spät zur Arbeit zu erscheinen, da wir sonst gekündigt werden. Hat man diese Routine mehrfach in ihrer erdrückenden Monotonie durchlebt, wundert es nicht, wenn uns beim Zähneputzen ein kleiner Goldfisch aus dem Waschbecken heraus die Frage stellt, warum wir uns das alles eigentlich antun.

Grotesken wie diese stehen in der sehr an die filmischen Mindsets von Altmeister David Lynch und Nicolas Winding Refn erinnernden Spielwelt von Mosaic (übrigens im Spiel der Name unseres erschreckend durchautomatisierten Arbeitgebergroßkonzerns) prototypisch für das gesamte Erlebnis. Ohne uns auch nur mit einem Anflug an Herausforderung belästigen zu wollen, reiht der wie eine Visual Novel aufgebaute Titel ästhetisch aufgeheizte Exkursionen zwischen Traum und Wirklichkeit aneinander, während sich unser Held der Arbeit von einem Tag zum nächsten hangelt. Über Fragen der Steuerung oder variierender Lösungswege muss man sich dabei wie gesagt keinerlei Gedanken machen.

Passend zur Thematik einer Welt, in der man nur ein unbedeutendes Rädchen im globalen Getriebe ohne eigenen Willen ist, gibt es bis auf hinzukommende Handy-Apps nichts zu erkunden, was uns der Spielverlauf nicht wie auf Schienen vorsetzt. Und selbst die Apps lösen die Umklammerung nicht mal ein wenig, da wir es hier u.a. mit einem billigen Endlos-Klickspiel, einem für unser Einkommen kaum relevanten Börsenticker oder einem Datingportal ohne Match für uns zu tun haben. Algorithmen, was braucht man da noch mehr?

Die Macher verstehen es in den tatsächlich nur knapp 3 Stunden Spielzeit prächtig, uns das Gefühl von Einsamkeit so hervorragend choreografiert wie vielleicht noch nie in einem Indie-Game spüren zu lassen. Per Klick Aufstehen, Zähne putzen, Krawatte richten, wortlos in den Fahrstuhl zu zwei völlig stummen Nachbarn steigen und dann einer durchwegs mechanischen Tätigkeit ohne Zuspruch und Bezug, allerdings voller despektierlicher Gehaltsschikane nachzugehen – das zermürbt auch aufgrund des depressiv vor sich hin wabernden Elektrosoundtracks, der uns auf dem natürlich verregneten Weg durch die trüb versmogten Hochhausmeilen begleitet.

Treffen wir dann, meist völlig unvermittelt, auf einen Straßenmusiker in einer Art urbanem Lustwäldchen (in dem trotzdem die Leichen des Kapitalismus nicht weit sind) oder folgen wir plötzlich abseits des Weges unserer namenlosen Figur einem vom Wind getragenen Schmetterling, lässt uns Mosaic zumindest temporär die Sehnsucht nach etwas anderem, vielleicht sogar einen Hauch von Befriedigung und innerer Ruhe erahnen. Solche Szenen fangen die Macher ebenso schnell wie geschickt wieder ein. Schrumpft unser Charakter beispielsweise kurz nach einer farbenfroh eskapistischen Szenerie plötzlich wenige Meter später auf Ameisengröße, um dann als Kaugummi unter der Schuhsohle eines Passanten zu „enden“, ist jeder Anflug positiver Energie umgehend wieder verfolgen. Die Gesetze des Alltages verkleistern offenbar jeden noch so kleinen Riss umgehend.   

Mit Blick auf unseren fischigen Begleiter könnte man als Spieler überlegen, warum man sich selbst das eigentlich antut und die Antwort ist nach der zu kurzen, dafür aber mit rund 20 Euro auch ob der eher grobschlächtigen Technik unverhältnismäßig teuren Kampagne von Mosaic nicht so einfach zu geben.

Nach dem Durchgang hat man alles gesehen und das Ganze überhaupt Spiel zu nennen, passt selbst im Vergleich mit anderen heillos versimpelten Walking Simulator-Adventures wie zuletzt etwa Afterparty oder Lost Ember nicht recht ins Bild. Argumente sind allerdings schnell gefunden: Krillbite gelangen unwiderstehliche Bilder und Emotionen, die konsequent an das Design des Titels geknüpft sind. Selbst die spielerische Umsetzung unserer Arbeitstätigkeit in der Firma folgt komplett der Logik einer sinnentleerten Konsumwelt inklusive Endloswachstum.

Anders gesagt: Der Mangel an Entscheidungen und Abwechslung ist hier dezidiert Botschaft und schon dafür haben sich die Norweger Applaus verdient. Zumal man nach Mosaic das Gefühl hat, tatsächlich in einer virtuellen Kunstinstallation gewesen zu sein, deren Ästhetik sich nicht so schnell aus dem Hirnkanal wieder ablöst. Das mag dennoch manche Spieler mangels – natürlich – echter Lösung aus dem inhaltlich aufgeworfenen Dilemma etwas unbefriedigt zurücklassen – aber auch dieser Output ist letztlich ebenso konsequent wie der süßlich giftige Schlussakkord. Kann man sich ja schnell in der Mittagspause auf dem Smartphone anschauen.

Fazit

Künstlerisch surreales, durchdacht gegenwartskritisches Adventure mit grandiosen Momenten, dem es allerdings an mehr Gameplay, Zeit und Wiederspielwert mangelt.

Mosaic • Krillbite/Raw Fury • Walking Simulator/Adventure • PS4/Xbox One/Switch/PC

Abb. © Krillbite/Raw Fury

 

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