8. Juni 2020 3 Likes

Mann im Mond

Erwartungen (fast) erfüllt: Das Weltraum-Adventure „Deliver Us The Moon“ im Test

Lesezeit: 4 min.

Sicher wird auch der ein oder andere von Ihnen neulich gebannt den Start der SpaceX-Mission mitverfolgt haben. Zwar brauchte es wetterbedingt mehrere Anläufe, ehe der von Elon Musk werbewirksam inszenierte Eintritt in den Raumfahrttourismus zünden konnte, doch man war dann irgendwie fasziniert vom technischen Spektakel um die bodenständigen Astronauten Bob und Doug und all das Pathos made in USA – die obligatorischen (Eigen-)Hymnen des Donald Trump wahrscheinlich mal ausgenommen. Flüge zum Mond strahlen nach wie vor eine hohe Anziehungskraft aus und stehen als Motiv der Science-Fiction entsprechend konstant hoch im Kurs.

Jüngstes Beispiel aus Spielesicht ist dafür das Adventure Deliver Us The Moon (wir berichteten mehrfach), dessen jahrelange Entwicklungsgeschichte bis zum Release von vielen Unsicherheiten geprägt war. Schon vor über drei Jahren gab es nach erfolgreicher Kickstarter-Kampagne Pläne für eine Mischung aus Story-Adventure und Episodenthriller zu sehen, allerdings machten finanzielle Schwierigkeiten den Machern von KeokN Interactive einen dicken Strich durch die Rechnung. Zwischenzeitlich musste sogar zur Deckung der Liquidität eine unfertige Version des Spiels erscheinen, sodass die nun zunächst seit Ende letzten Jahres für PC und nun seit Ende April auch für PS4 und Xbox One vorliegende Finalversion (Switch soll bald folgen) schon einem kleinen Wunder gleichkommt. Auch dank der Mithilfe von Publisher Wired Productions und einer Komplettsanierung der frühen Fassung macht Deliver Us The Moon nun aber eine solide Figur und fesselt als atmosphärisch dichtes, wenn auch nicht ganz fehlerfreies Monderlebnis.

Bereits die Ausgangsbasis erzeugt gehörig Spannung, indem sie überdeutlich einen Bogen zur drohenden Klimakatastrophe unseres Planeten zieht. In der näheren Zukunft ist es der Menschheit zunächst gelungen, den energetischen Kollaps der Erde mithilfe des Mondes zu verhindern. Denn nachdem die natürlichen Ressourcen aufgebraucht und der einst blaue Planet eher zur dreckigen Staubkugel mutierte, zapften Wissenschaftler mittels modernster Technik neu gefundene Energie vom Mond direkt zur Erde ab. Allerdings ließ ein mysteriöser Ausfall urplötzlich alle Energie versiegen und der Kontakt zur Mondkolonie brach ohne weitere Erkenntnisse ab. Einige Jahre nach diesen Ereignissen, in denen sich die Menschheit nun tatsächlich vor ihrem Ende wähnt, unternehmen wir unter der Leitung einiger Wissenschaftler den verzweifelten Versuch einer Mission, die uns zum Mond bringt, damit wir den Hintergründen des Ausfalls auf die Schliche kommen und einen Weg finden, die Energiezufuhr wiederherzustellen. Dabei sind wir bis auf den Einsatz von Fahrzeugen, Scannern und Drohnen komplett auf uns gestellt. Deliver Us The Moon ist nämlich, ganz im Sinne seiner Thematik, ein völlig einsames, zuweilen melancholisch nachdenkliches Spiel geworden, ohne allzu penetrant den gegenwärtigen moralischen Klimasünderfinger zu heben.

Was in Sachen Gameplay schon nach kurzer Zeit der in sechs Kapitel und insgesamt nur einigen Stunden umfassenden Reise zum Mond auffällt: Für Abwechslung ist stets gesorgt. Zwar besteht das Grundportfolio von Deliver Us The Moon aus seichteren Puzzles und genreüblichen Herumgelaufe, allerdings überraschen die Macher immer wieder mit neuen Mechaniken, die eigentlich naheliegen, aber dennoch den gemächlichen Grundton des Adventures angenehm modulieren. So müssen wir nach einer Explosion plötzlich einen freien Hindernisflug durchs All überstehen oder gegen Ende kleinere Stealth- und sogar Hüpfpassagen in Third-Person-Manier meistern. Dabei kommt allerdings kein Element so lange vor, dass uns irgendetwas auf die Nerven gehen könnte. Selbst die recht einfachen Schalter- und Türöffneraufgaben sorgen so nicht für gesteigerte Gähnanfälle und motivieren über die gesamte Spielzeit.

Diese Varianz hat aber auch ihren Preis. Schließlich bewegt sich jede spielerische Facette auf maximal überdurchschnittlichem, weil nicht konsequent ausgeschöpftem Niveau. Wenn wir etwa unsere Drohne durch Luftschächte steuern, mit einem Mondfahrzeug von Station zu Station brettern oder mithilfe eines Handlasers Türe oder Behälter mit dringend benötigtem Sauerstoff aufschießen, beschleicht uns stets das Gefühl, das hier noch mehr Gehalt möglich gewesen wäre. Das gilt auch für die Inszenierung der Story, die von engagierten (deutschen/englischen) Sprechern sowie einem überall verstreuten Fundus an Texten und Objekten vorangetrieben wird, jedoch selten vollständig packt und aufgrund einer sehr unpersönlichen Hologrampräsentation manchmal steril rüberkommt.

Ähnliches lässt sich über die Technik bilanzieren. Die Grafik ist eher zweckmäßig ausgefallen und meilenweit weg von Blockbusterniveau; auch die recht langen Ladezeiten ärgern trotz vieler äußerst fair platzierter Checkpoints und ohnehin wenig Todesfrust zumindest an einigen Actionstellen. Allerdings schafft es das Spiel dank seiner Fokussierung auf sein Thema einer komplett einsamen Mission in den kargen Weiten des Mondes – sowie grandios unterstützt von einer meist in Moll gehaltenen Piano-Begleitung – eine Atmosphäre zu verströmen, die grafischen Schnick-Schnack gar nicht braucht. Wo erlebt man schon ein dramatisches Abenteuer, ohne auf ein einziges Monster oder Feind zu treffen? KeokeN ist es wirklich gelungen, aus relativ wenig viel zu machen – Kompliment!

Insgesamt erhält man für aktuell rund 25 Euro (unser Testmuster war für die PS4) einen unaufgeregten, dank viel Abwechslung sehr effektiv präsentierten Ausflug zum Mond, der mit seiner dezenten Kritik am Raubbau unseres Planeten und einer stellenweise bewegenden Story punktet. Viel Wiederspielwert gibt es nicht und mit gründlicher Durchforstung der stets überschaubaren Gebiete, hat man nach dem Durchlauf alles erlebt. Gerade weil wir uns an dieser Stelle sehr häufig aber über spielerisch eher schwache Adventures auslassen, die fast nur über ihre Atmosphäre kommen, ist Deliver Us The Moon als Titel, dem beide Ebenen insgesamt doch recht gut glücken, eine Empfehlung wert.

Fazit

Überraschend viel Abwechslung bei stimmiger Atmosphäre: Deliver Us The Moon überzeugt als kurzweiliger Einzelgängertrip, ohne alles aus sich herauszuholen.

Deliver Us The Moon • KeokeN Interactive • Adventure • PC/PS4/Xbox One (im Sommer auch für Switch)

Abb. © Wired Productions

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