25. Juni 2020 2 Likes

Potter ballert

„Guns Akimbo“ - So interessant wie eine Raufaser-Tapete

Lesezeit: 4 min.

2006 tauchten mit Mark Neveldine und Brian Taylor zwei Filmemacher auf, die sich mit „Crank“ in einer endlosen Schlange von Quentin-Tarantino-Kopisten einreihten, die Tarantino auf „Referenzen“ und „coole Gewalt“ reduzieren. Neveldine und Taylor trieben diese beide Pole allerdings auf die absolute Spitze und fügten dem Gebräu mit ihrer sicherlich recht originell realisierten (unter anderem wurde auf Rollschuhen gedreht), aber hypernervösen Umsetzung, die kaum ein Bild im Raum stehen lässt, die Aufgekratztheit des Online-Zeitalters hinzu. Das war erst einmal interessant anzuschauen, gelegentlich sogar kurz amüsant ist, aber alles in einem schnell ermüdet.

Das Problem: Filme wie „Crank“ geben sich zwar bewusst gegen den Strich gebürstet, sind mit ihrer schlichten und-dann-und-dann-und-dann-und-dann-Dramaturgie und ihre in Einzelteile zerlegte Inszenierung eigentlich auf maximale Konsumierbarkeit gebürstet. Was zählt ist einzig und allein der Moment, alles davor kann und wird man schnell wieder vergessen. Es ist nahezu unmöglich nach Abspann die Szenen noch in die richtige Reihenfolge zu bringen. Spätestens mit „Crank II: High Voltage“ (2009) läuft die Maschinerie völlig ins Leere, es gibt zwar noch mehr Referenzen, noch mehr coole Gewalt und alles ist natürlich noch schneller, hibbeliger, aber bereits nach allerkürzester Zeit halt auch völlig egal (wenig hilfreich ist zudem, dass die besten Einfälle aus dem Vorgänger einfach wiederholt werden). Ein nahezu willkürlich angelegtes Zeichensystem, dass um sich selbst kreist beziehungsweise wird zwar aus allen Rohren gefeuert, aber nichts gelangt ins Ziel, selbst der (eh aufgesetzt wirkende) Hang zu Zynismus, Geschmacklosigkeit und Gewalt hilft nicht weiter, denn spielt einfach keine Rolle, was passiert. Man könnte das prima als postmoderne Leere umschreiben, es dreht sich um alles, aber gleichzeitig um nichts.


Herr P. machte die bittere Erkenntnis, dass Mixgetränke ihre Tücken haben. Guns Akimbo; Leonine

Doch obwohl die Fortsetzung nicht den Erfolg wiederholen konnte, wurde ein Tor zu ähnlicher Kost aufgestoßen und so entstanden im Fahrwasser von „Crank“ diverse Brüder im Geiste wie „Shoot Em Up“ (2007), „Die Todeskandidaten“ (2007), „The Tournament“ (2009), „Drive Angry“ (2011), „Hobo With A Shotgun“ (2011), „Hardcore“ (2015) oder Brian Taylors Solo-Trip „Happy!“ (2017-2019, irgendwie „Crank“ in Serienform).

Was uns zu „Guns Akimbo“ von Jason Lei Howden bringt, der ein dank ähnlichem Setting, ähnlicher Machart und ähnlich verlogener Medienkritik ein wenig an Neveldine und Taylors „Gamer“ (2009) erinnert. Der Hauch von Plot geht so: In einer nahen Zukunft lässt eine mächtige Organisation mit Namen Skizm Psychopathen und Kriminellen zum Vergnügen eines johlenden Publikums im Internet-Livestream gegeneinander antreten. Computer Programmierer Miles Lee Harris (Daniel Radcliffe), der in seiner einsamen Freizeit zum Vergnügen gerne Trolle trollt, loggt sich auf der Plattform ein und beleidigt die Zuschauer, die sich zur Unterhaltung reale Kämpfe auf Leben und Tod angucken, um sich an ihren aufgebrachten Reaktionen zu ergötzen. Skizm-Boss Riktor (Ned Dennehy) wird allerdings darauf aufmerksam, bricht mit seinen Handlangern in Harris’ Appartment ein und lässt ihn an jede Hand eine Pistole nageln. Der Programmierer muss nun gegen Nix (Samara Weaving), die verrückteste und gefährlichste Killerin des Spiels, antreten und vielmehr passiert nicht.


Sie würde mit ihrem Stylisten mal ein ernstes Wort reden. Guns Akimbo; Leonine


Er auch. Guns Akimbo; Leonine

Der Anflug von Medienkritik wird nach wenigen Minuten in die Tonne getreten, statt dessen zerfällt das völlig planlos, aber dafür umso zappeliger inszenierte Geschehen in einen videospielartigen Mix aus wenig lustigen, oft reichlich pubertäre Comedyszenen (alltägliche Dinge wie Pinkeln ist mit Knarren an den Händen natürlich schwierig und ja, man sieht Harrys Fake-Potter) und mit Splatter-Spitzen gewürztem Geballer, das meist mit kontrapunktisch eingesetzter Musik wie „Ballroom Blitz“ von 3Teeth oder „Super Freak“ von Rick James untermalt wird. Etwas, was in den letzten Jahren mindestens eine Millionen Mal gemacht wurde und mittlerweile nur noch abgestanden wirkt. Dass bei all dem keiner der Charaktere irgendwie Profil gewinnt, geschenkt. Weswegen es umso alberner kommt, dass im letzten Drittel Nix urplötzlich noch schnell einen „dramatischen“ Background drangeklatscht kriegt, was natürlich völlig wirkungslos verpufft, da der Film zuvor weder an seinen (von Radcliffe, Weaving und Dennehy leider mit unverdientem Eifer gespielten) Figuren noch überhaupt an irgendeiner Form von Dramaturgie interessiert war. Was zählt ist einzig und allein der Moment, alles davor kann und wird man schnell wieder vergessen. „Guns Akimbo“ ist noch nicht mal schlecht, er ist einfach nur völlig, aber wirklich völlig Wurst.

P.S.: Wer zuviel Zeit hat, kann sich ja mal durchlesen, was der Herr Regisseur vor einiger Zeit im Netz für einen Wirbel veranstaltet hat. Offenbar handelt es sich bei seinem Film auch um einen Katalysator für gewisse unerfüllte Fantasien.

„Guns Akimbo“ läuft ab dem 25.06.2020 im Kino. Abb.: Leonine

Guns Akimbo (Großbritannien/Deutschland/Neuseeland 2019) • Regie: Jason Lei Howden • Darsteller: Samara Weaving, Daniel Radcliffe, Ned Dennehy, Natasha Liu Bordizzo, Mark Rowley

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