29. Juni 2020

Furioses Pixelfeuerwerk

„Blade Runner“ meets „Robocop“: Der Shooter „Huntdown“ im Test

Lesezeit: 4 min.

Hinreißend trashige 16-Bit-Action kommt wohl nie aus der Mode. Den Eindruck muss man zumindest bei Titeln wie Easy Tigers Huntdown bekommen, der ähnlich wie zuletzt Blazing Chrome (hier nochmal unser damaliger Test) alles in die Retro-Waagschale wirft, um Sci-Fi- und 80er- wie 90-Jahre-Fans ein echtes Feuerwerk im Stil von Ballerklassikern wie Contra oder Metal Slug zu kredenzen. Vollgepackt mit Referenzen an filmische Vorlagen wie Escape From New York, Running Man, Blade Runner, Stirb Langsam und anderen Perlen dieser Zeit, entführt uns Huntdown in eine düstere Metropole der Zukunft, wo wir in Gestalt eines von drei spielbaren Kopfgeldjägern zur Hatz auf gleich mehrere brutale Gangs blasen.

Das Konzept bleibt dem Contra-Prinzip konsequent treu. Mit mehreren wähl- und auf unserem Pfad auffindbaren Waffen von der einfachen Handfeuerwaffe über kräftige Shotguns und Maschinenpistolen bis hin zum überpotenten Raketenwerfer geht es wie in guten alten Sidescroller-Tagen stets von links nach rechts, wobei uns neben den Schurkenhorden Plattformen und zahlreiche Deckungsoptionen erwarten. Unsere Feinde reichen von Punks und Eishockeyfreaks bis zu Samurais und Bikern, wobei uns am Ende jedes der 20 Areale ein absurd überzeichneter (und knackig-schwerer) Endboss auflauert.

Hier zeigt sich das Design von seiner absoluten Schokoladenseite. Kampfhubschrauber, Mechs, Riesenschlagen, Samurai-Zwillinge oder ein Elvis-Imitator sind nur einige der Bosse, die uns mit ihren aberwitzigen Sprüchen und einzigartigen Kampfstilen einerseits zum Schmunzeln bringen und uns andererseits die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Jeder Fight fällt einzigartig aus – bei so vielen Bossen auch in der heutigen Gamerlandschaft wahrlich keine Selbstverständlichkeit.

Schnelle Abzugsfinger und ein Gespür für knappe Munition und die richtige Waffenauswahl sind ebenso gefordert wie fixes Ausweichen vor Beschuss sowie Sprünge über Abgründe, Explosionen oder Fallen. Um dem hektischen Geschehen noch mehr Würze zu verleihen, dürfen wir uns dazu via Dashmove an Gegnern vorbei bewegen und uns an bestimmten Stellen sogar hinter Gegenständen vor Geschossen in Deckung bringen oder an die Wand pressen, um nicht schnurstracks durchsiebt zu werden. Die Movepalette geht flux in Fleisch und Blut über, erfordert aber eine gute Hand-Auge-Koordination, um bei so mancher Situation nah an der Reizüberflutung und trotz mehrerer Schwierigkeitsgrade nicht frustriert das Gamepad an die Wand zu pfeffern.

Könner haben das Dauergemetzel trotzdem in rund vier Stunden durch, allerdings darf man hier keine längeren Lebensbalkon oder dergleichen erwarten. Egal, welchen der drei Jäger man auch vor jedem Levelstart auswählt – mehr als drei Treffer (inklusive situativ aufnehmbarer Lebenspunkte zum Wiederauffüllen) verkraftet keiner von ihnen, ehe es zurück zu den meist sehr fair gesetzten Checkpoints in den letztlich sehr kurzen Gebieten geht. Spielerisch unterscheiden sich die Avatare dabei im Grunde bis auf ihre Standardwaffen nicht, aber Look und Sprachausgabe beleben in Variation das bleihaltige Actiongeschäft genug, um sich alle drei Charaktere mal zu Gemüte zu führen. Übrigens in diesem Kontext erwähnenswert: Wer will, kann via Couchkoop zu zweit losziehen. Einen Online-Modus haben sich die Macher aber leider verkniffen.

Neben der für schnelle Sessions geeigneten Atemlos-Ballerei ist es aber speziell die genial präsentierte Atmosphäre, die an Huntdown bis zum Finish begeistert. Ob U-Bahnstationen, Gassen, Kasinos, Badeanstalten oder Fabriken, die Grafik punktet mit vielen Details und Abwechslung bei der Farbgestaltung. Das wird bei der Darstellung von Gewalt besonders prägnant, denn Schüsse hinterlassen hier sichtbar Schaden und es fließt ordentlich Pixelblut aus sämtlichen Schurkenporen.

Dazu gesellt sich ein grandioser Synthie(rock)-Soundtrack, wie er selbst in oben genannten Filmen kaum treffender zur Geltung kam und den man sich definitiv auch abseits des Spiels mittels hoher Ohrwurmität immer wieder reinziehen kann. Das trifft zwar nicht auf die arg dünne „Vernichte alle Gangs und sorg für Ordnung in der Stadt“-Story, doch selbst die wird dank trocken lässiger Sprachausgabe und vieler, herrlich klischeehafter Einzeiler schick untermalt. Gerade die Verbeugungen vor der Automatenherkunft des Sidescroller-Genres sind ein echtes Highlight der Inszenierung (das ebenfalls sehr empfehlenswerte Street of Rage 4 drängt sich an der Stelle zum Vergleich förmlich auf) und beweisen eindringlich, wie gut die Macher ihre Vorbilder studiert und deren Spirit in die Gegenwart übersetzt haben.

 Wenn es an Huntdown (wir spielten übrigens die PS4-Version) überhaupt was zu meckern gibt, dann leider neben der recht kurzen Spielzeit daran, dass der Titel bei allem Hang zur Hommage keine eigenen Spielideen entwickelt und es an Fahrzeug-Passagen oder ähnlicher Gameplay-Abwechslung mangelt, die sich im Kontext einiger Level wie etwa der Hatz über einen fahrenden Transporter sogar regelrecht aufgedrängt hätte. Auf typisch zeitgenössische Elemente wie Upgrades oder freispielbaren Boni verzichtet der Titel ebenfalls, sodass man nach einem Durchgang wenig Motivation verspürt, sich sofort erneut ins dystopische Getümmel zu stürzen. Aber das ist Mäkeln auf hohem Niveau und kratzt nicht an der hohen Qualität dieses deftigen, bis ins Mark gelungenen Arcade-Highlights, das sich ältere wie jüngere Spieler digital für aktuell rund 20 Euro auf PS4, Xbox One, Switch und PC nicht durch die Lappen gehen lassen sollten.  

Fazit

Fantastisches Retrofest in reinster Run-and-Gun-Manier, das vom ersten bis zum letzten Pixelschuss buchstäblich brutal gut unterhält.

Huntdown • Easy Tiger Games • Retro-Shooter • PS4/Xbox One/Switch/PC

Abb. © Coffee Stain Publishing

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