19. August 2020 4 Likes

„Lovecraft Country“ - Der Horror des Rassismus

Der Serienauftakt verspricht Großartiges

Lesezeit: 3 min.

„When, long ago, the Gods created Earth … a beast they wrought … filled it with vice, and called the thing a Nigger.“ Ein Mann mit zwei Gesichtern schrieb diese Zeilen 1912, ein Mann, der als Ahn der modernen Horror- und Fantasyliteratur und damit auch des Kinos gilt, der aber auch ein manischer Rassist war: H.P. Lovecraft, dessen Gedicht „On the Creation of Niggers“ gleich in der ersten Folge von Misha Greens zehnteiliger Serie „Lovecraft Country“ erwähnt wird.

Die zwei Pole des Wesens Lovecrafts sind dann auch die zwei Pole der Verfilmung des Romans von Matt Ruff, der in lose verbundenen Geschichten vom Horror des Rassismus in den 50er Jahren erzählt und vom Horror, der gleich in der ersten Folge in Gestalt von schleimigen, vieläugigen Blobs Gestalt annimmt. Opfer werden vor allem rassistische weiße Polizisten, in deren lustvoller Erniedrigung der schwarzen Hauptfiguren man unweigerlich Parallelen zur Polizeigewalt der Gegenwart entdecken kann, ohne das diese jedoch allzu sehr ausgestellt würde.

Viel Zeit hat man ohnehin nicht, darüber nachzudenken, denn die von J.J. Abrams und Jordan Peele produzierte Serie ist vom ersten Moment an so voller Assoziationen und bizarrer Momente, dass man sich fragt, wie dieses Level über die gesamte Staffel gehalten werden soll.

Es beginnt mit einem wilden (Alp)-Traum, der eine „War of the World“-artige Alieninvasion, schwarze Außerirdische und die Baseball-Ikone Jackie Robinson zusammenbringt. Geträumt hat ihn Atticus Freeman (Jonathan Majors), ein Soldat, der 1955 aus Korea nach Hause kommt, um nach seinem Vater zu suchen. Der ist seit ein paar Wochen auf der Suche nach Atticus Herkunft in einem Ort namens Ardham – oder doch Arkham? – verschwunden. „Du bist der Vergangenheit etwas schuldig“ schrieb der Vater an den Sohn, und welche Geheimnisse diese Vergangenheit birgt, dürfte sich erst im Laufe der Staffel erweisen. Zusammen mit seinem Onkel George (Courtney B. Vance) macht sich Atticus von Chicago auf den Weg nach Massachusetts, wo Mitte der 50er Jahre mit die schärfsten Rassegesetze galten. Vervollständigt wird das Trio von Letitia Lewis (Jurnee Smollett), die, so viel lässt sich schon ahnen, aktiv in der Bürgerrechtsbewegung mitmischt.

Auch wenn die Mischung aus Horror und gesellschaftskritischen Momenten deutlich an „Get Out“ und „Us“ erinnert, die beiden Erfolgsfilme, mit denen Produzent Jordan Peele bekannt wurde, ist „Lovecraft Country“ doch vor allem das Baby von Misha Green. Nach einigen Jobs in Writer Rooms war Green vor vier Jahren hauptverantwortlich für die historische Serie „Underground“, die die sogenannte Underground Railroad thematisierte, eine klandestine Organisation, die Sklaven die Flucht aus dem Süden ermöglichte, aber auch Anschläge auf Sklavenhändler und andere Rassisten ausübte.

Bewegte sich Green damals noch in historisch belegten Gefilden, vermischt sie nun Historisches mit fantastischen Motiven. Im Ansatz ähnelt das ein wenig an Damon Lindelofs „Watchmen“-Adaption, der die legendäre Graphic Novel mit realen Ereignissen der afroamerikanischen Geschichte überschrieb. Wohin sich Green in „Lovecraft Country“ bewegen wird, das wird sich im Lauf der ersten Staffel zeigen. Wenn Atticus da am Ende der ersten Folge an die Tür eines herrschaftlichen Haus klopft und von einem elegant gekleideten Weißen mit den Worten „Willkommen zu Hause, Mr. Freeman“ begrüßt wird, kann man nur ahnen, in welche fantastischen Gefilde die Serie noch hinabsteigt. Der Auftakt jedenfalls verspricht einiges.

Lovecraft Country • Creator: Mischa Green • Darsteller: Jonathan Majors, Courtney B. Vance, Jurnee Smollett • zehn Folgen, jeden Montag eine neue Folge bei Sky

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