Schaurige Lektüre
Halloween-Nachwuchs von Kenneth Oppel, Victoria Schwab und Jonathan Stroud
Zu Halloween lässt sich gut gruseln, auch in den heimischen vier Wänden. Wie? Mit der passenden Lektüre für den Nachwuchs. Vorhang auf also für schaurige Lektüre von Jonathan Stroud („Lockwood & Co: Die seufzende Wendeltreppe“), Kenneth Oppel („Bloom“) und Victoria Schwab („Monsters of Verity“)
Skully in a Bottle
Anfang des Jahrtausends begeisterte ein sarkastischer Dschinn Groß und Klein. Ein Jahrzehnt später ließ „Bartimäus“-Papa Jonathan Stroud einen ähnlich geschwätzigen Gesellen auf seine Leser los – genauer gesagt, einen sprechenden Schädel in einem Einmachglas. Doch dazu gleich noch mehr. Hauptfigur seiner „Lockwood & Co.“-Pentalogie ist weder besagter Schädel, noch der charismatische Namensgeber Anthony Lockwood, sondern die aufmüpfige Ich-Erzählerin Lucy Carlyle. Wie andere Kinder und Jugendliche kann sie etwas, was sich Erwachsene nur wünschen können: Geister sehen und hören. Denn in Lucys Heimat – dem überaus sympathischen, aber absolut nebligen – England werden die Bewohner seit Jahrzehnten von Geistern heimgesucht. Die einzige Hoffnung? Jugendliche Geisterjäger! Und Lucy ist gerade dabei, bei der noch wenig erfolgreichen Agentur von Teenager Lockwood anzuheuern. Wer jetzt „Ghostbusters“ für Kinder erwartet, wird ein wenig enttäuscht sein: Denn in Strouds fünfbändiger Reihe nutzt niemand Hightech, sondern alle Lowtech. Die wichtigste Waffe für Lockwood und seine Bande sind Degen, Eisenketten und ein scharfer Geist (das Wortspiel musste jetzt einfach sein). Der Auftaktband „Die Seufzende Wendeltreppe“ ist leider nur so mittelgut. Wer weiterliest, erlebt jedoch mit, wie sich die Reihe von Band zu Band mausert und Stroud seine Geisterwelt um neue Schauergestalten erweitert. Dabei spielt auch der geschwätzige Schädel eine wichtige Rolle. Denn Lucy hat die seltene Gabe, sehr gut die Geister zu hören – und die noch seltenere, auch mit ihnen sprechen zu können. Am Ende finden Lucy, Lockwood, der Schädel und ihre Weggefährten George, Holly und Kipps natürlich auch heraus, wer für die Geisterplage verantwortlich ist. Bis es soweit ist, ist jeder Band ein neuer schaurig schöner Spaß.
Jonathan Stroud: Lockwood & Co. • Aus dem Englischen von Katharina Orgaß, Gerald Jung • cbj, München 2015 – 2019 • 432 – 512 Seiten • je ca. 13,00 € • Empfohlen ab 12 Jahren
It’s the End of the Plan(e)t
Manche Bücher hatten dieses Jahr leider das Pech, kurz vor dem „Lockdown“ in den Handel zu kommen. So auch die deutsche Übersetzung von „Bloom“, dem neuesten Streich des Kanadiers Kenneth Oppel („Fledermaus“-Trilogie, „Affenbruder“, alle Beltz & Gelberg). „Bloom. Die Apokalypse beginnt in deinem Garten“ dürfte bei älteren Lesern Erinnerungen an John Wyndhams Romanwelten wecken. Denn in dem gelungenen Auftaktband gibt es Anspielungen auf „Die Triffids“ (im Shop) und „Das Dorf der Verdammten“ (auch bekannt als: „Es geschah am Tage X“; im Shop). Was geschieht, wenn man beides miteinander vermischt? Es entsteht ein SF-Abenteuer mit Horrorelementen. Dabei fängt alles ganz harmlos an. Anaya, Petra und Seth leben in einer beschaulichen kanadischen Kleinstadt. Jeder der Teenager hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Anaya kämpft gegen eine heftige Akne und Allergien gegen fast alles. Petra ist bildschön, reagiert aber ausgerechnet auf das Lebenselixier Wasser mit schmerzhaften Ausschlägen. Und Seth? Er wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht und trägt nicht nur auf der Seele Narben. Ein weltweites Ereignis ändert jedoch alles. Überall auf der Erde fällt ätzender Regen, der die Samen aggressiver Pflanzen mit sich bringt. Binnen kürzester Zeit überwuchern sie den Boden, vernichten Ernten – und töten Menschen. Statt wie alle anderen Erdenbewohner allergisch auf die inversive Art zu reagieren, geht es Anaya, Petra und Seth von Tag zu Tag besser. Bald stellt sich heraus, dass weder sie noch die Pflanzen von dieser Welt stammen… Klingt spannend? Ist es auch. Band zwei kann gerne kommen. Und der englische Name „Hatch“ verspricht schon jetzt einen weiteren Ausflug in SF-Horrorabgründe.
Kenneth Oppel: Bloom. Die Apokalypse beginnt in deinem Garten • Aus dem Amerikanischen von Inge Wehrmann • Beltz & Gelberg, Weinheim 2020 • 345 Seiten • 16,95 € • Empfohlen ab 12 Jahren
Monster Night City
„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“ Wer kennt sie nicht, die alte Weisheit? Dass das Böse gern musiziert, beweist eine Meisterin der dunklen Phantastik. In ihrer „Monster of Verity“-Dilogie erzählt die US-Amerikanerin Victoria Schwab alias V. E. Schwab (»Vier Farben der Magie«, Fischer TOR) vom Bösen in uns und der magischen Macht der Musik. In der Welt von Verity existieren die USA, wie wir sie kennen, nicht mehr. Der Großteil des Landes besteht aus einer riesigen Wüste. Nur in den wenigen Städten ist ein halbwegs friedliches Leben möglich. Doch abends wird es gefährlich: Dann kriechen Monster aus ihren Verstecken und eröffnen die Menschenjagd. Jene Monster entstehen, wenn ein Mensch ein Verbrechen begeht – und je schlimmer die Tat, desto monströser das Wesen. Verity City bildet da keine Ausnahme. Doch die geteilte Stadt ist zusätzlich von einem Bürgerkrieg gezeichnet. Im Norden sorgt Callum Harker gegen Tribute dafür, dass die Monster niemanden angreifen. Im Süden versucht die Familie Flynn gewaltsam die Monster zu besiegen. Als der Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien zu zerbrechen droht, werden die Kinder der Familien, Kate Harker und August Flynn, in eine Verschwörung hinein gezogen, die Verity zu zerstören droht. Was der Auftakt zu einer weiteren Romeo-trifft-Julia-Geschichte sein könnte, ist ein wahrhaft monströser Pageturner, in dem sich Kate und August beweisen müssen. Schwab entwirft in ihrer packenden Dilogie ein dystopisch-postapokalyptisches Szenario, in dem böse Taten ihren Preis haben. Und manches Monster ist dann ein seltener Sunai wie August, der mit lieblicher Musik tötet. Wer auf der Suche nach einer Postapokalypse mit Monstern, aber ohne Zombies, ist, kann bedenkenlos zu Schwabs Zweiteiler über menschliche Abgründe und Träume greifen.
Victoria Schwab: Monsters of Verity • Aus dem Amerikanischen von Bea Reiter • Loewe, Bindlach 2018 - 2019 • 432 - 480 Seiten • je 19,95 € • Empfohlen ab 14 Jahren
P. S.: Auch wir haben Musik im Blut und den passenden Song zum Buch gesucht. Haben Sie die nicht ganz ernst gemeinte Auswahl erkannt? Wenn nicht, einfach mal hier, hier und hier klicken. Doch Vorsicht, für Ohrwürmer wird nicht gehaftet – aber die sind ja mitunter auch schaurig. In diesem Sinne: Happy Halloween!
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