16. November 2020

„Paranormal“ – Fear like an Egyptian

Netflixs erste Serie aus Ägypten bietet sehenswerten Grusel

Lesezeit: 3 min.

Es ist mal wieder Zeit für ein erstes Mal auf Netflix: Die erste Serie des Streamingdienstes aus Ägypten. Für die allermeisten Netflix-Zuschauer außerhalb des nordafrikanischen Landes (und vielleicht dem Rest der arabischen Welt) dürfte der Sechsteiler „Paranormal“ wohl auch das erste Mal sein, dass sie einen ägyptischen Film oder eine Serie sehen – und dies ist kein schlechter Anfang.

Vorlage für die Serie, für die hauptsächlich Amr Salama verantwortlich war, ist ein in Ägypten offenbar sehr populärer Roman von Ahmad Khaled Towfeq, der als erster Autor von zeitgenössischen Science-Fiction und Horror-Geschichten in der arabischen Welt gilt, hauptberuflich aber promovierter Mediziner war. Wissenschaftler ist auch die Hauptfigur Dr. Refaat Ismail (Ahmed Amin), der im Kairo des Jahres 1969 ein unbefriedigendes Leben führt. Seine Arbeit macht ihm wenig Freude, ebenso wenig die Aussicht, bald seine Cousine Huwaida (Aya Samaha) zu heiraten, die ihn aus nicht recht ersichtlichen Gründen anhimmelt, denn Dr. Ismail ist ein zynischer Grübler mit schütterem Haar und schlecht sitzenden Anzügen.

Die Ursache für seine grundsätzliche Lebensunlust tritt bald in Gestalt der Schottin Maggie McKillop (Razane Jammal) in sein Leben, wo sie schon einmal einen Platz hatte: Während des Studiums waren sie eng befreundet, doch seine Liebe konnte Dr. Ismail Maggie nie gestehen. Doch nun sind sie aufeinander angewiesen, denn seltsame paranormale Ereignisse plagen die Einwohner Kairos und stellen Dr. Ismails Pragmatismus und seinen Glauben an die Wissenschaft in Frage. Nicht zum ersten Mal, wie man in Rückblenden nach und nach erfährt, denn schon als Kind hatte er Begegnungen mit dem Übernatürlichen, folgte einer Geistergestalt in ein verlassenes Haus und entkam nur knapp.


Razane Jammal (links) und Ahmed Amin in „Paranormal“, Netflix

Seitdem hat er sein Leben der Ratio gewidmet, doch nun kämpft er gegen Erscheinungen und Geister, darunter – wir sind immerhin in Ägypten – auch einer Mumie. So spektakulär wie in den entsprechenden Hollywood-Blockbustern sind die Momente des Phantastischen in „Paranormal“ zwar nie, doch das macht nichts. Ein wenig schlicht mutet die lose Serienstruktur zwar bisweilen an, die Dr. Ismail in jeder Folge gegen eine andere Bedrohung, eine Art Monster der Woche, kämpfen lässt, doch allein das ungewöhnliche Setting hält das Interesse wach.

Kurz vor dem überraschenden Tod des legendären Gamal Abdel Nasser, der 1970 einem Herzinfarkt erlag, spielt die Serie, zu einer Zeit, als sich Ägypten in einer fragilen Situation mit dem Nachbar Israel befand, aber auch zur Führungsmacht des Pan-Arabismus wurde. Der ständige Angstzustand der ägyptischen Gesellschaft, die Furcht vor inneren Revolten oder äußeren Konflikten scheint in „Paranormal“ stets im Hintergrund mitzuschwingen und die unheimliche Atmosphäre noch zu verstärken.

Bodenständig wirkt die Serie dadurch, trotz aller Ausflüge ins Phantastische, all der Auftritte von seltsamen Wesen, weniger vorangetrieben von Effekten, als von seinen Charakteren, die in einer zunehmend rationalen Welt mit dem Irrationalen konfrontiert werden. Von solchen Serien, mit spezifischem nationalen Touch würden wir gern mehr auf Netflix sehen.

Paranormal • Ägypten 2020 • Chefautor: Amr Salama Darsteller: Ahmed Amin, Aya Samaha, Razane Jammal • 6 Folgen auf Netflix

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