27. Februar 2016 2 Likes

Zombies mit Hirn

Robin Campillos „The Returned“ endlich auf Deutsch

Lesezeit: 3 min.

Bereits vor einigen Jahren haben wir auf Robin Campillos „Les Revenants“ hingewiesen, und nun ist bei Koch Media dankenswerterweise eine deutsche Ausgabe dieses brillanten Films erschienen.

Inzwischen ist viel passiert. In Frankreich gab es ein nicht minder brillantes Remake in Form einer TV-Serie, die gerade in die 2. Staffel gegangen ist. In den USA gab es ebenfalls ein Serien-Remake, das leider nicht so gelungen war. Aber Campillos Vorlage darf man getrost als (viel zu unbekannten) Klassiker des modernen fantastischen Kinos abfeiern. Und aus Anlass der deutschen Veröffentlichung holen wir den damaligen Text noch einmal aus dem Pixel-Äther – quasi aus der Vergangenheit der Zukunft.

Vermeiden wir das »Z«-Wort, denn mit George Romeros schwankenden Gestalten, die aus ihrem Schöpfer mittlerweile selbst eine Art Wiedergänger gemacht haben, hat Les Revenants (dt. The Returned) gar nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun. Es gibt weder Drive-In Schlock-Schock, noch apokalyptisch-hysterische Konsum-, Medien,- oder Sonst-was-Kritik. In Robin Campillos Film kehren die Toten auf die Erde zurück und sie haben überhaupt keinen Appetit.

Gut, gegenüber Romeros madiger Masse haben diese Toten einen fundamentalen Vorteil: sie sehen so aus wie am Tage ihrer Beerdigung, egal, ob sie vor zwei Tagen oder zehn Jahren unter der Erde verschwanden. Sie spazieren einfach eines Tages vom Friedhof, unspektakulär, schweigend, eine Prozession von Menschen, die sich über die Stadt verteilt. Es sind überwiegend alte Leute, und sie stellen die Lebenden vor gewaltige Probleme, emotionale und – ganz banal – logistische: Wohin mit den ganzen Leuten? Was soll man überhaupt mit ihnen machen? Zwar werden die Probleme sogleich ganz bürokratisch angefasst – kein Aufruhr weit und breit – , aber man handelt, ohne sich der Handlung ganz bewusst zu sein, ohne die Tragweite überhaupt zu erfassen, mit einem Gefühl der Taubheit, im Schockzustand.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Toten eigentlich zu nichts zu gebrauchen sind. Man kann nicht wirklich mit ihnen reden, sie können nicht wirklich arbeiten, sie können nicht wirklich ihr Leben wieder aufnehmen. Sie sind eine Parallelgesellschaft, die man mit Argwohn und Unbehagen betrachtet. Auch wenn es keiner zu sagen wagt, aber am liebsten wäre man sie einfach wieder los.

Das Gefühl der Taubheit durchzieht den Film von Anfang bis Ende. Er ist völlig entdramatisiert, weshalb die wenigen Gefühlsausbrüche, die die Begegnung zwischen Hinterbliebenen und Verstorbenen zur Folge haben, umso heftiger auffallen und ziemlich unter die Haut gehen. Denn das Wiedersehen ist schmerzlich und freudlos. Es ist in gewisser Hinsicht schlimmer als Tod und Trauer, Abfinden und Weitermachen. Die Toten sind wie externalisierte Schuld.

Und als wäre das alles noch nicht deprimierend genug, macht es Les revenants dem Betrachter darüber hinaus nicht mal leicht, ihn zu mögen, zu sehr entzieht sich der Film herkömmlichen narrativen Konventionen und gefällt sich vielleicht auch zu sehr in seiner enigmatischen Parabelhaftigkeit. Aber er hinterlässt Spuren im Gedächtnis, eine bohrende Unruhe, weil er hartnäckig an existentiellen Fragen rührt, die schwer zu formulieren, schwer zu fassen sind. Und manchmal findet Campillo bestechend einfache, nüchterne Bilder, um diese Fragen auszudrücken, ganz ohne Kitsch und Pathos. Das macht den Film zu einem bemerkenswerten Beitrag des fantastischen Kinos. Nicht gerade mitten im Genre, aber dort am Rande, wo oft die spannendsten Dinge passieren. Denn hier ist das Grauen mal nicht das Unbekannte, sondern das furchterregend Bekannte.

„The Returned“ ist ab sofort als DVD, Blu-ray und VOD erhältlich.

Abb. © Koch Media

The Returned (Les Revenants; Frankreich 2004 • Regie: Robin Campillo • Darsteller: Géraldine Pailhas, Jonathan Zaccaï, Frédéric Pierrot, Marie Matheron

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