1. Dezember 2020

„Little Bird“ - Der Kampf um Elder’s Hope

Der preisgekrönte Comic von Darcy van Poelgeest und Ian Bertram auf Deutsch

Lesezeit: 3 min.

Ihren ersten gemeinsamen Comic „Little Bird“ siedeln der kanadische Filmemacher Darcy van Poelgeest und der amerikanische Künstler Ian Bertram in einer dystopischen Zukunft an. Die Vereinten Nationen von Amerika haben der genetischen Modifikation und dem Kapitalismus abgeschworen, Gott und seine herrschenden Vertreter auf Erden stehen über allem und allen. Doch in Kanada und den Rocky Mountains kämpfen noch einige Widerständler gegen die Kreuzritter und Drohnen des New Vatican. Zu den Rebellen im Norden gehört die junge Little Bird. Allerdings muss sie die große Schlacht zwischen dem Widerstand und dem Kirchenstaat im Bunker aussitzen. Als der Staub sich legt, sie die Verheerungen sichtet und das Verschwinden ihrer Mutter bemerkt, bleibt Little Bird nur noch, mit ihrer Schoßeule loszuziehen und den legendären Krieger namens Die Axt aus einem Hochsicherheitsgefängnis zu befreien in der Hoffnung, dass er den Kampf gegen die Kirche entscheiden und die Welt retten wird. Dabei ahnt Little Bird nicht, dass sie selbst Verbindungen nach New Vatican hat, wie ihr erst an der Grenze zum Tod bewusst wird …

„Little Bird: Das Kampf um Elder’s Hope“ ist Science-Fiction, wie sie sich auch Margaret Atwood, Frank Miller, Jeff Lemire und Grant Morrison hätten ausdenken können. Allerdings wirkt das Comic-Debüt von Autor Darcy van Poelgeest, der für sein Filmschaffen mehrere Preise erhalten hat, ein bisschen out of date, was das Worldbuilding und die Geschichte angeht. Die Wendungen sind zudem nicht wirklich originell, die interessantesten Elemente zwischen Hightech und Traumwandlerei nicht optimal ausgenutzt. Doch das kompensiert das Artwork von Ian Bertram, der neben Storys aus den Universen von Batman und den X-Men zuvor die unabhängigen Comics „House of Penance“ und „Bowery Boys“ sehenswert umsetzte. Sein Strich und sein Storytelling erinnern an eine Mischung aus Moebius, Frank Quitely, Steve Skroce und Geof Darrow. Der erfahrene Kolorist Matt Hollingsworth, der bereits „Sandman: Death“, „Daredevil“, „Batman: Der weiße Ritter“ und „Preacher“ Farbe bekennen ließ, veredelt Bertrams teils spektakulär brutale und sensationell coole Bilder mit oft überraschend leuchtenden und hellen Farben.

Man darf spekulieren, ob es den Eisner Award für die beste abgeschlossene Serie – inzwischen wurde für 2021 ein Prequel in Aussicht gestellt – oder etwa die französische Ausgabe nicht vor allem für die bildgewaltige Optik gab. Denn „Little Bird“ liest sich schon wie ein Comic aus einer anderen Ära, den etwa Frank Miller in den 1980ern oder frühen 1990ern inszeniert haben könnte – das kann man, muss man heute jedoch nicht mehr mögen. Auch könnte man argumentieren, dass die kanadische Dystopie „We Stand On Guard“ von Brian K. Vaughan und Steve Skroce runder war, obwohl BKV damals ein Stück hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. Aber dank der starken Bilder von Ian Bertram und Matt Hollingsworth sowie der schönen Aufmachung als riesiges XL-Album im Hardcover wird die deutsche Edition von „Little Bird“ trotzdem zu einem sehenswerten Comic-Erlebnis und einem dankbaren Weihnachtsgeschenk für Genre-Fans.

Abbildungen: Ian Bertram

Darcy van Poelgeest & Ian Bertram: Little Bird Bd. 1: Der Kampf um Elder’s Hope Cross Cult, Ludwigsburg 2020 • 208 Seiten • HC-Album: 35 Euro

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