20. März 2021

„Klara und die Sonne“ von Kazuo Ishiguro

Der neue SF-Roman des Nobelpreisträgers für Literatur

Lesezeit: 3 min.

Kazuo Ishiguro (im Shop) wurde 1954 in Nagasaki geboren, lebt seit 1960 in England und erhielt 2018 den Nobelpreis für Literatur. Er ist einer der angesehensten und meistumjubelten Schriftsteller unserer Zeit, der vom Feuilleton ebenso gefeiert wird wie etwa von Kollegin Margaret Atwood. Selbst Krimi-Ass Ian Rankin ist ein Fan! Manchmal scheint es, als würde jeder Ishiguro bewundern. Einen der renommiertesten Vertreter der Gegenwartsliteratur, dessen schriftstellerischer Feinsinn sich im Vergleich mit ähnlichen „Schwergewichten“ äußerst zugänglich präsentiert, obwohl sich seine Werke und ihre Aussagen durch Nuancen, zarter Striche und Andeutungen auszeichnen. Umso schöner, dass Ishiguro der Fantastik und der Science-Fiction nie abgeneigt war, schrieb er doch bereits 2005 die Klon-Dystopie „Alles, was wir wissen mussten“, die in den Tiefen der Science-Fiction-Szene sogar für den Arthur C. Clarke Award nominiert war, und 2015 die Fantasy-Metapher „Der begrabene Riese“. Diese und alle anderen Werke Ishiguros liegen nun in einer besonders schönen, einheitlichen Neuausgabe bei Blessing auf Deutsch vor. Parallel zu dieser Edition ist im März gerade Ishiguros neuer Roman Klara und die Sonne“ (im Shop) in der Übersetzung von Barbara Schaden als Hardcover, E-Book und Hörbuch-Download erschienen.

„Klara und die Sonne“ wird aus Sicht der hoch entwickelten Androidin Klara erzählt. Angesiedelt ist der Roman darüber hinaus in einer Zukunft, in der KFs – Künstliche Freunde – für die Betuchten eine Alltäglichkeit sind. KFs wie Klara sitzen im Schaufenster eines Geschäfts und warten höflich und geduldig, aber durchaus bangend darauf, auserkoren und von Kindern und Jugendlichen mit nach Hause genommen zu werden. Alles, was sie dafür verlangen, ist ein bisschen Sonne zum Aufladen, und dann sind sie die perfekten Begleiter, so der Hersteller. In Kazuo Ishiguros Roman wird Klara außerdem zur Beobachterin, durch deren Augen wir eine interessante Zukunft und anfangs recht geheimnisvolle Gesellschaft erkunden, in der dank des wissenschaftlichen Fortschritts das Klassendenken wieder wesentlich ausgeprägter, wichtiger und unverhohlener ist. Eine letztlich recht düstere Welt, die sich hinter erkaufter Schönheit und Erhabenheit versteckt. Klaras Aufmerksamkeit, Interesse, Naivität, Ratlosigkeit und Aufgeschlossenheit dienen der Verzerrung und Verstärkung ihrer Impressionen. Angesichts dieser Perspektive lädt uns Ishiguro ein, zu reflektieren, was Menschsein heißt und wie wir Menschen uns verhalten.

Subtile Science-Fiction über (nicht nur) künstliches Denken, Leben, Handeln und sogar Fühlen, durch das wir das Menschsein klarer sehen und, so die Hoffnung, besser verstehen: Wenig überraschend, ist dieser Roman von Kazuo Ishiguro Genreliteratur wie Hochliteratur und Hochliteratur wie Genreliteratur. Während SF-Enthusiasten das Zusammenknobeln des futuristischen Szenarios schätzen werden, das Ishiguro durch geschicktes Festhalten und partielles Aufdecken seiner Karten besonders ansprechend gestaltet, lesen viele, die sonst einen Bogen um SF machen, nun eben genau diese. Vergleichbar mit den meisterhaften Erzählungen von Ted Chiang aus den letzten Jahrzehnten oder etwa mit Samantha Schweblins aktuellstem Roman „Hundert Augen“ aus dem letzten Jahr.

Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne • Aus dem Englischen von Barbara Schaden • Karl Blessing Verlag • 352 Seiten • Auch als Hardcover und als Hörbuch/Audio-Download erhältlich • E-Book: € 18,99 (im Shop)

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