18. Mai 2021 3 Likes

„Portal der Welten“ von Adrian Tchaikovsky

Ein Spionage-Thriller über alternative Erden und Evolutionen

Lesezeit: 3 min.

Adrian Tchaikovsky (im Shop) gehört zu den Stars der gegenwärtigen Science-Fiction, seit er 2016 für seinen Roman „Die Kinder der Zeit“ den Arthur C. Clarke Award gewonnen hat. Aber auch sein Buch „Im Krieg“ über tierische Cyborgs ist ein Paradebeispiel für ebenso packende wie relevante Genreliteratur. Nun liegt mit Portal der Welten“ (im Shop) Irene Holickis Übersetzung von „The Doors of Eden“ bei Heyne auf Deutsch vor, dem neuesten Werk des 1972 geborenen Engländers, der zuvor Psychologie, Zoologie sowie Rechtswissenschaften studierte und als Jurist tätig war.

Zu Beginn von „Portal der Wellten“ sind die britischen Studentinnen Lee und Mal nicht nur ein Liebespaar, sondern auch leidenschaftliche Kryptiden-Jäger. Als sie einem Internet-Video nachgehen, das ein merkwürdiges Vogelwesen zeigt und vielleicht wirklich kein Fake sein könnte, verschwindet Mal in einem Moor mit einem alten Steinkreis und inmitten eines unerklärlichen, plötzlichen Wintereinbruchs. Lee überlebt und schlägt sich vier Jahre lang ohne ihre große Liebe durchs Leben, schreibt weiter ihre Artikel über kryptozoologische Sichtungen. Dann kollidieren ihre aufwühlende Vergangenheit und ihr Verlust mit den Ermittlungen von mehreren Agenten und Analysten beim englischen Geheimdienst MI5, die ihrerseits mit schwer zu erklärenden Vorgängen konfrontiert werden. Eine hochbegabte Mathematikerin und Physikerin, die wegen ihrer Transsexualität von Neonazis bedroht wird, und eine verdächtige künstliche Intelligenz in einer Börsenmaklerfirma sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs, die Lee, die Analysten und alle anderen erwarten. Ihr Weltenbild wird jedenfalls gehörig auf den Kopf gestellt …


Adrian Tchaikovsky. Foto © Kate Eshelby

Der neue Tchaikovsky ist ein großartiger Hightech-Spionage-Roman, der ohne erkennbare Mühe biologische und technologische Hard-Science-Fiction mit coolen Parallelwelten-Abenteuern, mysteriösen Steinzeitbewohnern und einigem mehr kombiniert. Zu dieser spannenden Geschichte, die mit parallelen Erden zu tun hat, auf denen die Evolution einen ganz anderen Verlauf nahm und oft eine andere Spezies an der Spitze der Nahrungskette steht, kommen sogar wissenschaftliche Abrisse über diese anderen Erden und Evolutionen, aus denen Kalmare, Säbelzahntiger oder Ratten als Sieger hervorgingen. Quasi wie nebenbei spielt Tchaikovsky mit der Popkultur: Die einzelnen Akte seines unterteilten Romans sind mit „Alice im Wunderland“ und „Alice hinter den Spiegeln“ von Lewis Carrroll verknüpft, außerdem werden Jurassic Park, Narnia, Doctor Who, Der Wind in den Weiden, Superman und einige mehr ganz beiläufig und organisch als lässige Referenzen eingebaut. Eine schöne, unverkrampfte Geek-Glasur für diesen Genre-Leckerbissen.

„Portal der Welten“ behauptet sich wegen seiner Leichtigkeit im Angesicht großer Konzepte mühelos zwischen der „Lange Erde“-Serie von Stephen Baxter und Terry Pratchett oder „Der Aufstieg und Fall des D.O.D.O.“ von Neal Stephenson und Nicole Galland, die einem wegen der Ausgangslage und Themen unweigerlich in den Sinn kommen. Und nicht nur das. Letztlich schnappt sich Adrian Tchaikovsky für den Augenblick sogar die Krone, wenn es um die aneinandergereihten Parallelwelt-Vorstellungen in der aktuellen Science-Fiction geht. Denn sein Roman ist schwer unterhaltsam, höchst empfehlenswert, und garantiert kein Standard, was alternative Erden, Evolutionen und Zeitäste angeht.

Adrian Tchaikovsky: Portal der Welten • Roman • Aus dem Englischen von Irene Holicki • Wilhelm Heyne Verlag, München 2021 • 640 Seiten • als Paperback und E-Book erhältlich • Preis des E-Books: € 12,99 • im Shop

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