16. August 2021

Stephen Kings Roman „Billy Summers“

Ein neuer King-Krimi über einen Auftragskiller mit zu viel Gewissen

Lesezeit: 3 min.

Billy Summers (im Shop) ist der Titelheld von Stephen Kings (im Shop) neuem Roman, wobei man wohl besser Antiheld sagen sollte. Billy, der als Junge seinen ersten Menschen tötet, dient nach seiner Kindheit in einer Pflegefamilie als treffsicherer Scharfschütze im Irakkrieg. Zurück in den USA verdingt sich der dekorierte Veteran später dann als Auftragskiller, unter anderem für die Mafia von Las Vegas. Dabei spielt Billy gegenüber den schnöseligen, reichen Berufsverbrechern gerne den Einfältigen, obwohl er einen messerscharfen Verstand besitzt und garantiert mehr als „Archie“-Comics liest. Außerdem legt Billy lediglich auf solche Ziele an, die es in seinen Augen dadurch verdient zu haben scheinen, dass sie schlechte Menschen sind. Das alles soll jedoch ohnehin bald Geschichte sein, denn auf Billy wartet ein letzter großer, millionenschwerer Job.

Um einen anderen Killer vor einem Gerichtsgebäude auszuschalten, der als Zeuge eine erhebliche Belastung für die Mafia werden könnte, lebt sich Billy unter verschiedenen falschen Identitäten monatelang im Umfeld der Stadt und des Gerichts ein. Das ist nämlich sein anderes großes Talent, neben dem Schießen: Die Leute mögen Billy, der nicht viel tun muss, um eine Verbindung herzustellen – selbst wenn sie angesichts seiner Natur und seines Auftrags nicht zu eng werden, nicht zu tief gehen sollte. Eine seiner neuen Tarnidentitäten ist die eines Schriftstellers, und Billy nutzt sie, um schreibend seine von Gewalt und Mord geprägte Vergangenheit aufzuarbeiten – mit einem Wink in Richtung William Faulkner und Daniel Keyes. Was Billy bei all dem nicht ahnt: Der Job, auf den er wartet, ist mit dem geplanten Schuss nicht vorbei. Denn Billy beobachtet aus einem seiner Verstecke heraus, wie eine junge Frau nach einer Gruppenvergewaltigung aus einem Van geworfen wird. Billy entschließt, ihr zu helfen, und so stehen plötzlich doch mehr Leute als gedacht auf seiner finalen Abschlussliste …


Stephen King. Foto © Shane Leonard

Fans von Stephen Kings Horror müssen tapfer sein: „Billy Summers“ ist ein weiterer Krimi in Kings starkem Spätwerk, und noch weniger übersinnlich als die Anfang des Jahres herausgekommene Pulp-Crime-Hommage. „Später“. Zudem siedelt King seine Geschichte vor Corona und noch in der Ära von President Trump ein. Und wenngleich Trump wieder ein paar Hiebe abkriegt, müssen der US-Sender Fox und dessen Besitzer Rupert Murdoch diesmal doch das meiste einstecken. Ansonsten geht es King vor allem um die Fassaden, die jeder Mensch errichtet, und was sich dahinter verbergen kann. King verbirgt nichts, erzählt uns alles über Billy, und hat gefühlt drei Bücher in einem geschrieben. Dass man „Billy Summers“ trotz eines Übergewichts von 200 Seiten jederzeit gerne und in großen Happen liest, bestätigt unterdessen nur einmal mehr, dass Stephen King der beste Handwerker auf den Bestsellerlisten ist. Ein literarischer Craftsman, den man bewundernd beim Zimmern beobachtet und in dessen Büchern man es sich sehr bequem machen kann, derweil seine Meta-Kommentare zum Schreiben wieder ein echter Gewinn sind. Und es kann ja nicht jeder neue King ein weiteres neues Lieblingsbuch sein. Das wäre dann vielleicht selbst im Falle des Königs der Spannungsliteratur ein bisschen viel verlangt.

Wer sich übrigens fragt, wo „Billy Summers“ im King’schen Kosmos anzusiedeln ist: In zwei Szenen des Romans wird von einem Berg in der Nähe von Sidewinder, Colorado aus ein Blick auf die abgebrannte Ruine des Overlook Hotels aus „Shining“ geworfen. Auch in dieser Hinsicht enttäuscht King also nicht.

Stephen King: Billy Summers • Heyne, München 2021 • 730 Seiten • E-Book: 19,99 Euro (im Shop)

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