13. September 2021

„Tormented Souls“: Survival Horror alter Schule

Eine Hommage an die Ursprünge von „Resident Evil“, „Silent Hill“ und Co.

Lesezeit: 5 min.

Erinnern Sie sich noch an Meilensteine des Survival Horrors wie Alone in the Dark, vermissen Sie Konamis seit einigen Jahren ruhende Silent Hill-Reihe und war Ihnen auch Capcoms letzter Resident Evil-Ableger Village (wieder) zu actionlastig? Dann könnte Tormented Souls der spanischen Entwickler von Dual Effect genau das richtige Spiel für Sie sein. Denn der Titel, der Ende August für PS5 und PC zum Preis von recht günstigen 20 Euro erschien (weitere Versionen folgen), geht bewusst zurück in die 90er, also quasi zu den Wurzeln besagter Horror-Reihen.

Das bedeutet, dass wir in Tormented Souls, das man übrigens auf Steam und im PSN dank Demo kostenlos testen kann, ein Herrenhaus voller Monster und kniffliger Um-die-Ecke-Denken-Rätsel erkunden, als Protagonistin nur mit wenig Munition und Weglaufen auskommen muss, Fortschritte ausschließlich mit begrenzt sammelbaren Tonbändern in bestimmten Save Rooms speichern kann und das Geschehen aus fest vorgegebenen Kamerapositionen erlebt. Auch die Grafik orientiert sich mit eher steifen Figurenanimationen und äußerst dunklen Texturen ebenso an den Ursprüngen des Survival Horrors wie die kryptische Story um düstere (Familien-)Geheimnisse und unchristliche Experimente, die mit nur wenigen Dialogen, dem Setting und vor allem dem Lesen von verteilten Notizen, Büchern oder Akten vorangetrieben wird.

In Tormented Souls übernehmen wir die Rolle von Caroline Walker, die eines Tages einen mysteriösen Brief erhält, der sie zur Wildberger-Klinik am entlegenen Winterlake führt. Zwei Schwestern scheinen an diesem Ort verschwundenen zu sein, doch als Caroline (natürlich völlig allein und bei Nacht) im verlassenen Hospital nach Antworten sucht, wird sie plötzlich von hinten niedergeschlagen und erwacht in einer Wanne mit seltsamen Apparaturen. Zu ihrem Entsetzen muss sie feststellen, dass jemand ihr ein Auge entnommen hat. So begibt sich Caroline als typisch naive Genrefigur durch das mit zahlreichen edlen Zimmern und Gängen ausgestattete Klinikum im Herrenhausstil, wobei sie schon nach wenigen Minuten von einem seltsam entrückten Priester eine wenig durchschlagskräftige Nadelpistole als Waffe erhält und von ihm erfährt, dass das Personal des Hospitals eigentlich mitsamt den Patienten umgezogen ist. Als dann eine erste, entsetzlich entstellte Gestalt mit Scherenhänden im Rollstuhl Jagd auf Caroline macht, wird klar, was für ein Alptraum auf die junge Frau in den unheimlichen Gängen des Anwesens wartet. Ohne lang herumzureden: Einen Originalitätspreis peilt Tormented Souls mit seiner Geschichte wahrlich nicht an, aber wen hat das im Genre schon je wirklich gestört.

Was bei Beginn von Carolines Abenteuer sofort auffällt, ist die durch und durch konsequent umgesetzte Hommage an die großen Tage des Survival Horrors, obgleich die Macher darum bemüht sind, das betagte Konzept früherer Tage dezent in die Gegenwart zu überführen (z.B. durch eine flüssigere, mit Gamepad wie Maus ordentlich funktionierende Steuerung und ausreichend vorhandenen, übersichtlich sortierten Inventarplätzen) und damit im Gegensatz zu vergleichbaren zeitgenössischen Aufgüssen wie der nicht nur technisch größtenteils verbockten Remothered-Reihe ein richtig gutes Spielerlebnis für Retro-Fans abzuliefern.

Wir schleichen mit Caroline, unterstützt von Lichtquellen wie einem Feuerzeug, durch die herrlich düsteren Gänge, klappern die Räume nach Gegenständen ab und müssen sowohl beim Einsatz von Schlagwerkzeugen, Munition, Heilspritzen und Tonbändern abwägen, ob wir die begrenzten Ressourcen wirklich einsetzen wollen oder nicht. Gerade hieraus zieht das Spiel, wie eben einst dessen Vorbilder, einen Großteil seiner Spannung. Wenn wir zu einem Ort müssen, um dort mittels Kombinationsrätsel an einen Schlüssel zu kommen, und uns ein verunstaltetes Ungetüm im engen Gang dazwischen auflauert, überlegt man es sich besser dreimal, ob man speichert, schießt oder riskiert, am Gegner vorbeizulaufen.

Einfaches Wegballern ohne Rücksicht auf Munition und die eigene Gesundheit ist in Tormented Souls, außer bei kleineren Gegnern, ebenso wenig hilfreich wie das Hoffen auf großzügig verteilte Checkpoints. Zwar gestaltet sich die gut 6-7 Stunden lange Kampagne (außer bei einigen wirklich kniffligen Rätseln) nicht sonderlich schwer bis phasenweise sogar zu leicht. Aber man ist es von vielen zeitgemäßen Titeln, abseits von Dark Souls und Co., schlicht kaum mehr gewohnt, um das Leben seiner Figur zu fürchten, ohne womöglich im Falle eines Todes einiges an Replay seit dem letzten Speicherstand ableisten zu müssen.

Die Rätsel fügen sich dabei dank schauriger Ausrichtungen und Details sehr positiv in das Gesamtbild des Abenteuers ein. Gilt es etwa zu Beginn, recht offensichtliche Kopfnüsse zu knacken wie Schlösser mithilfe aus Dokumenten herausgelesenen Kombinationen zu öffnen oder mittels Elektroschocks einer Leiche einen Schlüssel aus der steifen Hand zu entwenden, so ist im weiteren Verlauf eine gewisse Erfahrung mit Horror-Rätseln nicht schlecht, um schnell(er) an die Lösung vertrackterer Aufgaben mit einigem Herumgerenne zwischen verschiedenen Orten zu kommen.

Die bizarren, speziell soundtechnisch ziemlich furchteinflößenden Monster erwarten uns fast überall, können uns aber nicht über Raumgrenzen hinweg verfolgen. Überhaupt bauen die Macher dank sehr atmosphärischer Licht- bzw. Schatteneffekte, einer stets knisternden, oft verzerrt hallenden Soundkulisse, klassischen Settings wie Kellergewölben oder Leichenhallen und pointiert eingestreuten Jump Scares auf Urtugenden des Genres, die sich bei aller Vorhersehbarkeit auch dank solider Technikperformance nahezu optimal ineinanderfügen (wir spielten übrigens auf PC).

Damit einher gehen aber bestimmte Zugeständnisse, die man als Spieler unbedingt machen muss, um mit Tormented Souls Spaß zu haben. Die vorgegebenen Kamerapositionen führen selbstredend zu (gewollter) Unübersichtlichkeit, die Grafik ist trotz vieler Details nicht ganz auf der Höhe der Zeit und die englischen Sprecher (plus u.a. deutsche, wenn auch nicht fehlerfrei übersetzte Untertitel) verrichten ihren Job gerade noch ausreichend. Vor allem darf man aber selbst als Kenner sehr überzeugender aktueller Horror-Indies wie Outlast oder Visage nicht erwarten, einen spielerisch modernen Titel zu bekommen, selbst wenn traditionell schwierige Aspekte wie das Anvisieren von Feinden hier frustfrei verläuft.

Wer also nicht Fan des frühen Survival Horrors ist, könnte von all den unhinterfragten Klischeestandards, dem gemächlichen Erzähltempo und vielen längst veralteten Spielelementen gelangweilt sein (beispielsweise die sperrige Inventarverwaltung, das lange Fehlen einer vorhandenen Map oder eben das begrenzte Speichern). Freunde gerade solcher Erlebnisse freuen sich aber u.a. auf das wohlige Gefühl, wenn sie einen Raum betreten und ihnen zunächst nur der eklige Klang eines Ungetüms dessen Präsenz ankündigt, krude Rätsel, die mit Anatomie zu tun haben und vielen „Da sollte ich jetzt wohl besser nicht reingehen“-Momenten. Ein echter Retrohorror also, den sich Genreliebhaber, gerade zu dem Preis, nicht entgehen lassen sollten – auch wenn ein paar mehr Gegnertypen und ambitioniertere Bossfights durchaus wünschenswert gewesen wären.

Fazit

Mit viel Liebe zum Detail umgesetzter Retrohorror mit leicht modernem Anstrich, der Survival Horror-Fans früherer Tage definitiv ein paar schöne Stunden bereitet

Tormented Souls • Dual Effect/Abstract Digital • Survival-Horror • PS5/PC

Abb. © PQube/Funstock

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