10. Dezember 2017 3 Likes

Spieglein, Spieglein…

Review: Das Gothic-Adventure „Black Mirror“

Lesezeit: 5 min.

Um zunächst jeden Zweifel auszuräumen: KING Arts Adventure Black Mirror hat absolut nichts mit der gleichnamigen Serien-Anthologie zu tun, sondern ist der Reboot einer Reihe, die bereits 2004 in schönster Gothic-Tradition altehrwürdige Schlösser, dem Wahnsinn verfallene Familienclans und ähnliche Motive a la Lovecraft oder Poe zum Thema hatte. Nach einigen mehr oder weniger gelungenen Ablegern folgte nun vor einigen Wochen der Neustart auf PS4, Xbox One und PC, wobei sowohl Setting wie Gameplay einer für Kenner wohldosierten Frischzellenkur unterzogen wurden.

Die Handlung wurde von England nach Schottland und um einige Jahrzehnte zurück in die 1920er verlagert. Außerdem folgt der Ablauf nicht mehr komplett einem spielerisch eher angestaubten Point & Click-Prinzip, sondern setzt auf 3D-Erkundung, viele Dialogoptionen (allerdings ohne verschiedene Lösungswege oder Konsequenzen) und ein Hotspot-System, das sich auf wesentliche Objekte beschränkt und daher wie die Menüs angenehm übersichtlich ausfällt.

Die gut fünfstündige Story zentriert sich um Avatar David Gordon, der nach dem mysteriösen Suizid seines Vaters (mit dem der Titel auch einsetzt) und langer Abwesenheit auf das riesige, wenn auch etwas in die Jahre gekommene Anwesen seiner Familie zurückkehrt, um dem tödlichen Geheimnis seines Erzeugers auf die Schliche zu kommen und dabei Bekanntschaft mit einem alten Fluch zu machen, der die Gordons scheinbar seit Generationen buchstäblich in den Wahnsinn treibt. Die alten Gemäuer des Schlosses und seiner umliegenden Gärten halten nämlich nicht nur geisterhafte Visionen und auffallend schweigsame Bewohner wie Davids Verwandte bereit, sondern damit zusammenhängend das Rätsel um einen magischen schwarzen Spiegel, der die Grenzen zwischen Leben und Tod aufzuheben imstande ist.

Storytechnisch sollte man an dieser Stelle keineswegs weitere Einzelheiten verraten, denn Black Mirror lebt fast vollständig von seiner stimmigen (britischen) Aristokraten-Atmosphäre inklusive gediegener Schauermomente. Wer sich also nicht für typisch klischeehafte Figuren wie misslaunige ältere Damen, steife Diener mit Kerzenhaltern, schüchterne Dienstmädchen oder einen knorrigen alten Gärtner mit beißendem Schottenakzent begeistern kann, sollte einen weiten Bogen um dieses textlastige Abenteuer machen.

Alle anderen freuen sich in den fünf Kapiteln auf eine zu Beginn gemächlich vorangetriebene, zwar letztlich nicht wirklich innovative, aber immerhin sehr gut geskriptete Handlung, die wir komplett aus der Sicht von David erleben und deren Gothic-Ambiente jederzeit sticht. Da die Ereignisse uns trotz des recht eingeschränkten Settings mitsamt seiner geringen Bewegungsfreiheit dennoch an mehrere Orte wie den Dachboden, Kellergewölbe, geheime Höhlen oder auch an die Küste verschlagen, ist für Abwechslung trotz insgesamt überschaubarer Charakterriege gesorgt.

Die meiste Zeit verbringen wir genregemäß mit der Erkundung des Anwesens, Gesprächen mit den Bewohnern und natürlich dem Lösen von Rätseln. Letztere sind zwar nicht unbedingt vielfältig, schlagen allerdings bei Auftreten mit einem ziemlich knackigen Schwierigkeitsgrad zu buche. Puristen freuen sich auf die meist logisch nachvollziehbaren und nicht hanebüchen konstruierten Aufgaben; Gelegenheitsspielern dürfte aber speziell der Umfang an „Suche die nötigen Objekte plus anschließender Knobelei“ häufig zu langatmig ausfallen. Zwar werden uns in Black Mirror kaum unnötigen Dinge angezeigt, doch gerade die unglaublich nervigen Ladezeiten lassen den Gang durch die Räume zur Nervenprobe anwachsen und verleiten sukzessiv dazu, sich die Lösung lieber gleich im Netz zu suchen, anstatt bis zu 20 Sekunden pro Bildwechsel auszuharren.

Überhaupt verpasste es KING Art leider, sein Adventure mit dem nötigen technischen Feinschliff ausgestattet zu haben. Die Charaktermodelle wirken geradezu altbacken bis anachronistisch mit ihren plastikhaften Gesichtern (und vor allem Haaren), die auch wenig Mimik präsentieren und so deren Ausstrahlung reduzieren. Kantenflimmern und eine oft genug bei Bildwechseln nicht präzise Kamera sowie die eher hakelige Steuerung trüben das Gruselvergnügen zusätzlich merklich ein, obwohl die Umgebungstexturen insgesamt in Ordnung gehen und – wie schon betont – die Gothic-Stimmung definitiv mehr als solide transportiert wird.

Mit der von uns getesteten Konsolenversion (also mit Gamepad statt Maus und Tastatur) blieben wir beispielsweise immer wieder mit David an Kanten hängen und das grundsätzliche Handling hätte ebenso optimaler programmiert werden können. Soundkulisse und Sprecher hingegen zählen zu den positiven Aspekten, denn wie in einem spannenden Hörspiel sorgen beide Tonebenen für markante Situationen und eine gewisse individuelle Tiefe der Protagonisten.

Wenn schon die Technik trotz akkuratem Design den Spielspaß unnötig bremst, so muss auch in diesem Kontext angemerkt werden, dass es Black Mirror ein wenig an spielerischer Abwechslung mangelt. Klar, ein Adventure dieser Prägung sollte nicht narrativ unlogisch motivierte oder gar genrefremde Mechaniken implementieren, doch gerade zwei kleinere Spielereien innerhalb der Kampagne belegen, wie unnötig manche Ideen ausfallen. Mehrmals müssen wir David mit einem simplen Minispiel davor bewahren, den Verstand zu verlieren. Dazu müssen wir einen Punkt mehrere Sekunden innerhalb eines sich über den Bildschirm bewegenden Kreises halten. So weit, so belanglos.

Ähnlich verhält es sich bei der Rekonstruktion verschiedener Taten aus der Vergangenheit der Gordons, die wir in Form sich wiederholend ablaufender Visionen näher untersuchen müssen, um wichtige Hinweise zu ergattern. Dazu gilt es, mit etwas Timing im richtigen Moment innerhalb der Vision einen Hotspot anzuklicken. Inhaltlich durchaus interessant und meist mit einer entsprechenden Konsequenz belohnt, versagt sich allerdings auch diese Idee spielmechanisch jeden Anspruch und nervt tendenziell aufgrund des fummeligen Einhaltens des Timings. Schade, dass man hier nicht auf echte, punktuell wirklich herausfordernde und zur narrativen Dramatik passendere Akzente gesetzt hat, um der Bedrohung des schwarzen Spiegels auch spielmechanisch gerechter zu werden.

Fazit

Eindeutiger könnten Story und Gameplay kaum frappanter auseinanderdriften wie im Fall des Reboots von Black Mirror. Während die Geschichte um einen alten Familienfluch trotz vielerlei Tricks aus der (englischen) Klischeekiste gut fünf Stunden knisternde Gothic-Spannung entwickelt, trüben einige Technikprobleme sowie ein abwechslungsarmes Spieldesign den eigentlich guten Eindruck langsam, aber nachdrücklich ein. Mit etwas mehr Feinschliff (vor allem kürzeren Ladezeiten) wäre hier definitiv mehr drin gewesen.

Wer Lust auf einen stimmigen Schlossausflug klassischer Grusel-Provenienz hat und mit besagten Mängeln leben kann, erhält gerade auf Konsole mangels viel Auswahl aber in jedem Fall ein solides 3D-Adventure, das sich nicht nur Fans der ursprünglichen Titel ansehen sollten.

 

Black Mirror • KING Art/THQ Nordic • Point & Click-Adventure

Abb. © KING Art/THQ Nordic

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