1. Oktober 2021 1 Likes

„Ich bin Harrow“ von Tamsyn Muir

Nekromantin im Weltall: Das Sequel zu „Ich bin Gideon“

Lesezeit: 2 min.

Raumschiffe, Schwerter und Kavaliere, Space-Spukschlösser, Nekromantie im Weltall und galaktische, durch Hassliebe verbundene Gruftmaiden: Mit ihrem Roman „Ich bin Gideon“ legte die 1985 in Neuseeland geborene, heute größtenteils in England lebende Autorin Tamsyn Muir (im Shop) einen aufsehenerregenden Erstling vor, der die Grenzen von magischer Fantasy und kosmischer Science-Fiction noch furioser pulverisiert hat als „Star Wars“, um direkt zu Beginn gleich mal den großen Knochen zu schwingen. Nun liegt unter dem Titel Ich bin Harrow“ (im Shop) und hinter dem Cover von Tommy Arnold, welches sogar das 27. „Spectrum“-Jahrbuch für fantastische Kunst zierte, das Sequel zu Muirs erfolgreichem Debüt vor. Diesmal gehört das Rampenlicht voll und ganz der Nekromanten-Prinzessin Harrowhark Nonagesimus. Die letzte Erbin des Neunten Hauses und einzige halbtote Überlebende ihres generell vom Tod und von Gebeinen besessenen Planeten gehört inzwischen zum engsten Kreis des Imperators – allerdings werden der Mächtige und seine Diener und Dienerinnen von einem gewaltigen Feind bedroht …

„Ich bin Harrow“, im Paperback und E-Book erhältlich und ebenfalls von Kirsten Borchardt übersetzt, ist eine klassische Fortsetzung und doch ganz anders als „Ich bin Harrow“. Das fängt schon bei der Perspektive des Romans an – oder damit, dass Harrow in ihren selektiven Erinnerungen als unzuverlässige Erzählerin die Ereignisse des vorangegangenen Bandes um sie und Gideon quasi selektiv-subjektiv umschreibt. Eine kühne Science-Fiction-Metapher für u. a. das Zeitalter der Fake News. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass diese Geschichte erneut im üppigen Gewand einer extrem morbiden und barocken, fabulierfreudigen Gothic-Space-Opera daherkommt, in der man von der ersten Seite an versinken kann. Muir treibt es mit ihrer Vorliebe für Dekor und Details sofort und ständig auf die Spitze, im Gegenzug erweckt sie aber eben auch ein einzigartiges SF-Setting zum Leben bzw. Nichtleben.


Tamsyn Muir. Foto © Vicki Bailey/VHB Photography

Der zweite Band der von Kritikern und Fans frenetisch gefeierten „Locked Tomb“-Trilogie, die demnächst mit „Nona the Ninth“ fortgeführt werden soll, braucht trotz der alternativen Sichtweise und Faktenlage die Lektüre von „Ich bin Gideon“ als Basis – Muir schreibt eine Serie, daraus macht sie keinen Hehl, das Setting und die Figuren werden nicht mehr groß erklärt. Wer sich an das Ende des Auftaktbandes erinnert, kann sich außerdem vorstellen, wie mutig Muir ihre epische Saga fortführt und was für Veränderungen sie in kauf nimmt. Doch selbst wer das erste Abenteuer der galaktischen Gruftmaiden gelesen hat, wird überrascht sein, was sich Tamsyn Muir wieder alles ausgedacht hat, wie krass sie diesmal die Skelette tanzen lässt und in was für Gefilde sie die knochige Space-Fantasy abermals führt. Es kommen einem prompt wieder Adjektive wie „exorbitant“ und „einzigartig“ in den Sinn.

Tamsyn Muir: Ich bin Harrow • Roman • Aus dem Amerikanischen von Kirsten Borchardt • Wilhelm Heyne Verlag, München 2021 • 704 Seiten • als Paperback und E-Book erhältlich • Preis des E-Books: € 11,99 • im Shop

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