31. Dezember 2021

„The Silent Sea“ - Koreaner, die durch Korridore laufen

Mal wieder ein bis zum Anschlag aufgeblasenes Netflix-Nichts

Lesezeit: 3 min.

Spätestens seitdem der Metzelhit „Squid Game“ weltweit Zuschauer und TikToker in Ekstase versetzt hatte, sind die Augen aller Netflixer nach Korea gerichtet und so wurde mit Spannung die Serie „The Silent Sea“ erwartet, die die Abonnenten dann pünktlich zum Fest der Liebe im Streaming-Körbchen vorfanden. Die Begeisterung über das Weihnachtspräsent wird sich allerdings wohl eher in Grenzen halten, denn während der Vorgänger noch auf die Faszination seiner poppig-bunten und schwer Meme-tauglichen Gewaltszenarien bauen könnte, laufen im Nachfolger vor allem Koreaner durch Korridore.

Die Story spielt in einer nahen Zukunft und geht so: Astrobiologin und Ethologin Dr. Song (Bae Donna) meldet sich zu einer Mission, die ein Team unter der Führung von Captain Han (Gong Yoo) auf einen verlassenen Außenposten auf dem Mond führt. Die Belegschaft der Raumstation, zu der auch ihre Schwester gehörte, kam ein paar Jahre zuvor durch einen Unfall ums Leben und nun sollen die insgesamt neun Männer und zwei Frauen eine geheimnisvolle Probe von dort bergen, merken aber bald, dass sie nicht nur unzureichend über ihre Mission informiert wurden und dass sie zudem nicht alleine sind …

Wer irgendwann in seinem Leben schon einmal Ridley Scotts existenzialistischen Sci-Fi-Meilenstein „Alien“ (1979) oder James Camerons grandiosen Nachfolger „Aliens“ (1986) ODER einen der ungefähr sieben Milliarden Nachzügler gesehen hat, fühlt sich sofort heimisch: Ein kleines Grüppchen von Charakteren im All wird auf begrenztem Raum von einer lange Zeit unbekannt bleibenden Gefahr nach und nach dezimiert. Eigentlich ein unkaputtbares Szenario, dass hier noch mit einem Schuss „Contagion“ (2011) und „Universal Soldier“ (1992) angereichert wurde, aber leider merkt man nur allzu deutlich, dass „The Silent Sea“ auf einen 37minütigen Kurzfilm basiert. Dieser sollte ursprünglich zum Kinofilm ausgebaut werden, doch dann kam Netflix und schlug eine Serie vor. Das bedeutet: Newcomer-Regisseur Choi Hang-yong bekam die Option aus 37 Minuten 361 zu machen. Wie heißt es allerdings immer so schön: Nur weil man etwas kann, ist es nicht immer die beste Idee, es auch in die Tat umzusetzen.

Dass ein großer Teil der aus acht Folgen bestehenden Serie damit verbracht wird, durch Korridore zu laufen (na gut, es wird auch geschlichen oder gerannt und gelegentlich in Mikroskope oder auf Computerbildschirme gestarrt) ist dabei gar nicht mal das eigentlich Schlimme: Die Serie weiß mit ganzen neun der elf Charaktere absolut nichts anzufangen, so dass völlig egal ist, wer da gerade ins Gras beißt. Captain Han und Dr. Song kriegen zwar kleine Background-Stories angetackert, aber auch nur um später allerbanalste „dramatische“ Momente herbeizuführen, wobei Songs „schockierende“ Erkenntnis über ihre verstorbene Schwester frappierend an den großen Moment von Cop Jun-ho in „Squid Game“ erinnert. Und wie bei „Squid Game“ sind am Ende auch wieder „die da oben“ allesamt skrupellose Schweine. Systemkritik, die im Rahmen einer Unterhaltungssendung eines milliardenschweren Weltkonzerns anmutet wie von oben angeordnete Produktoptimierung.

The Silent Sea (Südkorea 2021) • Regie: Chong Hang-yong • Darsteller: Gong Yoo, Bae Doona, Lee Joon, Heo Song-tae, Lee Moo-saeng, Lee Sung-wook, Jung Sun-won • auf Netflix

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