„Lightyear“ – Quo Vadis, Pixar?
Schon wieder eine (halbe) Fortsetzung aus der einst unfehlbaren Animationsschmiede
Selbst eingefleischten Pixar-Fans mussten im Lauf der Zehnerjahre früher oder später auffallen, dass das einst für seine originellen und originalen Filme ein wenig der kreative Saft ausgegangen war: Zunehmend endeten Filmtitel mit Zahlen, kamen Filme von „Cars 2“ über „Toy Story 3“ bis „Incredibles 2“ ins Kino, die beileibe nicht alle schlecht waren, aber eben doch arg an die zunehmende kreative Erlahmung Hollywoods denken ließen, wo es zunehmend um Nummer sicher geht.
Zum Vergleich: Von den Pixar-Anfängen bis zum Ende der Nullerjahre wurden zehn Filme veröffentlicht, von denen nur „Toy Story 2“ eine Fortsetzung war. In den Zehnerjahren kamen elf Pixar-Filme ins Kino, darunter sieben Fortsetzungen! Grund war natürlich auch der Milliardenschwere Verkauf der Firma an Disney, ein Unternehmen, das mit dem Kauf von Marvel und Lucasfilm so sehr wie kaum ein anderes für den Sequel/ Prequel/ Spin-Off-Boom der letzten zehn, fünfzehn Jahre verantwortlich war. Und damit zugegebenermaßen enorme Gewinne einfährt, was allerdings vor allem die Aktionäre freut …
Vor einigen Jahren kündigte Pixar dann an, in absehbarer Zeit keine Fortsetzungen mehr zu veröffentlichen, erfüllte dieses Versprechen dann auch mit Filmen wie „Soul“, der zumindest in Ansätzen an die großen Zeiten anknüpfen konnte. Daneben standen allerdings Filme wie „Onward“ oder „Luca“, die allzu bemüht wirkten, um wirklich zu überzeugen. Nun also „Lightyear“, ein „Toy Story“-Spinoff, das also kein Se-quel, aber eben ein „Pre-quel“ ist.
Erzählt wird die Vorgeschichte von Buzz Lightyear, eine der beiden Hauptfiguren des Originals, aber wieso eigentlich Vorgeschichte? Soll erzählt werden, wie die Spielzeugfigur in der Fabrik gebaut wurde, im Regal lag und schließlich als Geschenk gekauft wurde? Natürlich nicht, stattdessen soll „Lightyear“ der Film sein, den das Kind Andy angeschaut hat und daraufhin unbedingt die Spielzeugfigur Buzz Lightyear haben möchte. Eigentlich keine ganz schlechte Idee, mit der allerdings der Witz der Buzz Lightyear-Figur sofort vorbei ist. Denn wir erinnern uns: Buzz Lightyear wusste in den Toy Story-Filmen nie, das er ein Spielzeug war und nicht etwa ein halsbrecherischer Astronaut, der mit seinem immer wiederkehrenden Spruch „To Infinity – And Beyond!“ durch die Gegend flog, wenngleich nicht wegen eines Düsenantriebs in seinem Anzug, sondern weil er als Spielzeug durch die Luft geschmissen wurde.
Fehlt dieser Aspekt, ist Buzz Lightyear nicht mehr als eine Figur in einem Abenteuerfilm. Und der wird in „Lightyear“ erzählt, in biederer Manier, mit klarer Moral und einfacher Story: Buzz (hier im Original gesprochen von Chris Evans und nicht von Tim Allen, was in gewisser Weise sogar Sinn macht, schließlich sind dieser „echte“ Buzz und der aus den „Toy Story“-Filmen unterschiedliche Figuren) strandet mit seinem Raumschiff auf einem fernen Planeten und setzt alle Hebel in Kraft, nach Hause zu kommen. Dabei unterstützen ihn eine diverse Riege an Figuren, wobei die originellste eine Roboter-Katze namens Sox ist.
Vor allem stilistisch ist das natürlich eine Augenweide, die Texturen von Raumschiffen, Planeten und Figuren sind atemberaubend detailliert und wirkt oft lebensechter als die Welt mancher vorgeblicher Realfilme, in denen das CGI wesentlich künstlicher aussieht. Was allerdings fehlt ist die Magie der besten Pixar-Filme, das Ungewöhnliche, das Originelle. Ob Disneys Pixar diese Magie wieder zurückgewinnen kann? Vielleicht wird sie eher bei der Konkurrenz von Apples Skydance Animation auftauchen, denn dort sind mit John Lasseter und Brad Bird inzwischen zwei Autoren und Regisseure angestellt, die in der großen Pixar-Ära federführend waren. Deren erster Film „Luck“ hatte vor ein paar Tagen beim Animationsfestival von Annency Premiere und wird ab Anfang August verfügbar sein. Allerdings nur bei Apple+ und nicht im Kino, die Zeiten ändern sich eben in vielerlei Hinsicht.
Abb. Pixar/Disney
Lightyear • USA 2022 • Regie: Angus MacLane • ab 16. Juni im Kino
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