22. Juni 2022

„Biest“ von Ane Riel

Ein dänischer Roman zwischen John Steinbeck, Stephen King und Daniel Keyes

Lesezeit: 3 min.

Die Dänin Ane Riel arbeitete früher in einem dem Maler und Cartoonisten Robert Storm Peterson alias Storm P. gewidmeten Museum, veröffentlichte aber auch mehrere Kinder- und Schulbücher. 2013 publizierte Riel ihr Romankrimi-Debüt „Blutwurst und Zimtschnecken“ (im Shop), das prompt als bester dänischer Krimi des Jahres prämiert wurde. Seitdem arbeitet sie nur noch als Autorin. 2015 folgte so der Spannungsroman „Harz“ (im Shop), der dann gleich alle vier großen skandinavischen Krimipreise abräumte, Veröffentlichungen in über zwei Dutzend Ländern sah und 2019 von Regisseur Daniel Borgman mit Vivelill Søgaard Holm, Peter Plaugborg und Sofie Gråbøl als Spielfilm adaptiert wurde. Jetzt liegt mit dem Roman Biest“ (im Shop) Riels neuerstes Werk in der Übersetzung von Julia Gschwilm auf Deutsch vor.

„Biest“ – 2020 als „BÆST“ im dänischen Original erschienen – setzt auf dem Balkan zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein und erzählt die ausgesprochen atmosphärische Lebensgeschichten der ungleichen Freunde Mirko und Leon. Mirko ist ein smarter, schneidiger Frauenheld, Leon ein unbeholfener Muskelberg von einem Mann, der seine Kraft kaum zu kontrollieren vermag, wenn er Zuneigung zeigen möchte, was schlimme Folgen haben kann. Mirko schwor Leons Mutter Danica, der problematischen großen Liebe seines jungen Lebens, auf deren ungewöhnlichen Sohn aufzupassen. Doch weder ihre Vergangenheit, noch ihre Gegenwart machen es dem Freak und seinem Freund leicht …

Zu ihrem Roman wurde Ane Riel von der Wissenschaft inspiriert, genauer gesagt dem Fall eines Babys, das mit einer seltenen genetischen Doppel-Mutation auf die Welt kam und deshalb außergewöhnlich stark wurde. Aber natürlich merkt man schon nach ein paar Seiten von „Biest“, dass die Geschichte auch ein großes fiktives, ein großes literarisches Vorbild hat: Die Dimension von Leon sowie die Dynamik zwischen ihm und Mirko, die sich als umherwandernde Landarbeiter durchschlagen, lassen einen sofort an den amerikanischen Romanklassiker „Von Menschen und Mäusen“ denken, den der später mit dem Pulitzer und dem Nobelpreis ausgezeichnete US-Autor John Steinbeck (im Shop) 1937 veröffentlichte und der seitdem mehrfach verfilmt wurde.


Ane Riel. Foto @ Alex Nyborg Madsen

Außerdem schrieb Stephen King (im Shop) als Richard Bachman 1973 mit seinem erst Jahrzehnte später auf den Markt gekommenen Frühwerk „Qual“ (im Shop) eine eigene Hommage an „Von Menschen und Mäusen“. Selbst in Kings serialisiertem, verfilmten „The Green Mile“ (im Shop) von 1996 spürt man die Vibes von Steinbecks Menschen und Mäusen. Zwischendurch nutzt Riel, um wieder zu „Biest“ zurückzukehren, für ihre Geschichte zudem die Perspektive des einfach gestrickten Riesen Leon, was sich in einer relativ auffälligen, fast naiv-unschuldigen und kindlichen Prosa widerspiegelt. Folglich könnte man hier gleich noch Autor Daniel Keyes und sein gleichfalls mehr als einmal adaptiertes Science-Fiction-Meisterwerk „Blumen für Algernon“ als Vorbild anführen – und würde bei Menschen und Mäusen bleiben.

Zwischen all dem untersucht Ane Riel in ihrem Roman große, zeitlose Themen wie Liebe und Verzweiflung, Stärke und Schwäche, Schuld und Unschuld, Einsamkeit und Freundschaft, derweil sie das Muster von Steinbecks Klassiker elegant mit ihrem eigenen Setting, ihren eigenen Figuren und ihrem eigenen Plot verarbeitet. „Biest“ wurde für den dänischen Martha Award-Leserpreis und den niederländischen ThrillZone Award nominiert.

Ane Riel: Biest • Roman • Aus dem Dänischen von Julia Gschwilm • btb, München 2022 • 528 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 12,00 • im Shop

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