30. Juni 2022 2 Likes

Im Gespräch mit Jens Lubbadeh

Der Journalist und Autor von „Der Klon“ spricht über Klonschaf Dolly, die Fixierung auf Gene und Adolf Hitler als SF-Romanfigur

Lesezeit: 5 min.

Menschen klonen – das Tabu ist in Jens Lubbadehs neuem Roman „Der Klon“ (im Shop) gebrochen worden. Während wohlhabende Eltern dadurch ihre viel zu früh verstorbenen Kinder wieder auferstehen lassen möchten, hat die Führungsriege einer rechtsnationalen Partei einen Klon von Adolf Hitler in Auftrag gegeben. Im Interview berichtet der Autor und Journalist von den Möglichkeiten der Klon-Forschung und was ihm beim Schreiben besonders wichtig war.

 


Jens Lubbadeh. Foto © Random House/Christina Körte

Herr Lubbadeh, im Februar 1997 wurde das erste geklonte Tier der Öffentlichkeit präsentiert: das Schaf Dolly. Wie haben Sie diese Nachricht in Erinnerung?

Ich habe damals gerade an meiner Diplomarbeit gesessen, es ging um Gehirne von Fliegen. Mein Professor hat das Magazin „Nature“ mit ins Labor gebracht, in dem die Forschungsarbeit zu Dolly publiziert war. Das war eine Sensation, nicht nur in Forscherkreisen. Das allgemeine Gefühl damals war, dass ein Tabu gebrochen zu sein schien. Das erste Säugetier war geklont worden. Nun schien es nur noch ein kleiner Schritt zu sein bis zum ersten geklonten Menschen. Die Leute befürchteten, dass nun reihenweise Kopien ausgewählter Menschen auftauchen würden. Der ultimative (Alp)Traum waren Klone von Marilyn Monroe, Albert Einstein oder Adolf Hitler, das waren jedenfalls immer die geäußerten Befürchtungen und Beispiele, die in den Leserkommentaren auftauchten, wann immer ich in den darauf folgenden Jahren als Journalist über Klon-Fortschritte berichtete. Aber so kam es dann zum Glück doch nicht.

Inzwischen haben Forscher:innen eine Reihe von Tieren erfolgreich geklont, darunter Hunde und Affen. Wieso gelingt das Verfahren bei manchen Arten besser als bei anderen?

Das hat mehrere Gründe. Ein limitierender Faktor sind die Eizellen. Sie unterscheiden sich von Spezies zu Spezies in ihren Eigenschaften, ihrer Empfindlichkeit und ihren Anforderungen, dass nach ihrer Befruchtung aus ihnen erfolgreich ein Embryo im Labor heranwächst. Klonen ist überhaupt ein sehr ineffizienter Prozess, die Erfolgsraten liegen bei wenigen Prozent. Um das Schaf Dolly zu klonen waren beispielsweise 277 Versuche notwendig. Man benötigt also viele Eizellen, um einen Klon zu produzieren. Überhaupt ausreichend Eizellen zu gewinnen, ist von Spezies zu Spezies ganz unterschiedlich schwierig. Aber es gibt auch noch andere Hürden beim Klonen. Als besonders schwierig zu klonen haben sich Hunde und Affen herausgestellt.

Klone sind ein bekanntes und beliebtes Thema in der Science-Fiction. Warum fasziniert uns die Vorstellung, die „Kopie“ eines Lebewesen erschaffen zu können?

Wahrscheinlich, weil wir den Gedanken faszinierend finden, auf diese Weise eine alternative Version eines bereits bekannten Lebens durchspielen zu können.

„Kopie“ scheint nicht das richtige Wort zu sein, wenn wir über Klone sprechen. „Ein Klon ist wie ein Zwilling, der aus der Zeit gefallen ist“ sagt der Wissenschaftler Moon in Ihrem neuen Roman „Der Klon“. Tendieren wir zu sehr dazu, einen Klon – oder vielleicht auch einen Menschen – nach seinen Genen zu beurteilen statt nach der Umwelt, die ihn prägt?

Ja. Gene, Genforschung und die Möglichkeit, das Erbgut zu manipulieren spielen ja eine immer größere Rolle in unserem Leben und werden es künftig noch mehr tun. Sie verlocken uns zu einfachen Kausal-Zusammenhängen, wir wollen immer eine Erklärung für ein bestimmtes Verhalten haben, suchen nach handfesten organischen Gründen. Gut zu beobachten ist das immer bei Amokläufen. Schnell wird nach einer psychischen Störung des Täters gefahndet, Ferndiagnosen bemüht. Der nächste Schritt wäre dann nach einem Gendefekt zu suchen. Weiteres Beispiel, wo unsere Genfixierung sehr deutlich wird: Bei Kindern von Prominenten. Ist es nicht so, dass wir an sie automatisch die gleichen Erwartungen haben wie an ihre Eltern?

Als Journalist befassen Sie sich regelmäßig mit spannenden wissenschaftlichen Themen, darunter auch dem Klonen von Haustieren. Inwieweit inspiriert Sie Ihre Arbeit zum Schreiben? Wer etwa bei „Der Klon“ den Links im Anhang folgt, findet erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zwischen Fiktion und Realität.

Mir kommen bei journalistischen Recherchen oft Romanideen. Manche wissenschaftlich-technische Entwicklung hat das Potenzial alles zu verändern. Ich versuche dann einfach das ein wenig in die Zukunft weiterzudenken. Meist steht eine Was-wäre-wenn-Frage am Anfang eines Buches.

Im Mittelpunkt des Romans stehen keine Tiere sondern ein junger Mann, der die gleichen Gene wie Adolf Hitler hat – eine Idee, die Science-Fiction-Fans bereits aus anderen Geschichten kennen. Welche erzählerischen Möglichkeiten bietet gerade dieser Klon?

Adolf Hitler ist zum kollektiven Sinnbild des absolut Bösen geworden. Ohne ihn und seine schrecklichen Taten verharmlosen zu wollen, darf man aber nicht vergessen, dass er nicht als Diktator geboren wurde. Er war einmal ein Baby, ein Kleinkind, ein Schüler, ein junger Mann, der Künstler werden wollte. Es hätte auch alles ganz anders kommen können, gut nachzulesen in Éric-Emmanuel Schmitts Roman „Adolf H. Zwei Leben“. Der Klon Hitlers bietet die Möglichkeit, die Millionen-Dollar-Frage durchzuspielen, wie und warum aus dem Menschen Adolf Hitler ein Massenmörder wurde.

Ihr Roman ist vor allem ein spannendes Gedankenexperiment, das ethische und philosophische Fragen aufwirft. Was war Ihnen bei der Darstellung besonders wichtig?

Mir war bewusst, dass ich mich mit der Person Hitler auf heikles Terrain begebe. Hitler als Menschen darzustellen, scheint hierzulande schwierig. Die Deutschen haben noch keinen nüchternen Umgang mit ihm gefunden. Ich erinnere mich noch an die Diskussionen um den Film „Der Untergang“, wo Kritiker fragten, ob es zulässig sei, Hitler als kranken Mann darzustellen und womöglich dadurch Mitleid zu erzeugen. Im Prinzip gehen wir ihm immer noch auf den Leim. Hitler hat nach seiner Machtergreifung alles getan, um sich selbst als Übermenschen zu stilisieren und viele Spuren seiner Vergangenheit getilgt.

Mir ging es nicht darum, irgendetwas zu verharmlosen oder zu entschuldigen – aber ihn nur als Teufel zu sehen greift viel zu kurz und ist außerdem gefährlich. Es entledigt ihn und auch alle anderen Menschen um ihn herum der Verantwortung. Hitler hatte Helfer und nicht zuletzt tragen seine Befürworter und Wähler eine Mitverantwortung. Was er alles plante, hat er ziemlich offen in seinem Buch „Mein Kampf“ dargelegt, das er bereits 1925 veröffentlichte. Das Buch war ein Bestseller, es kann also kaum jemand sagen, er hätte es nicht besser wissen können. Es ist mir wichtig, deutlich zu machen, dass Hitler kein singuläres Ereignis war. So jemand ist jederzeit wieder möglich.

Wir haben zu Beginn des Jahres erlebt, wie US-Präsident Donald Trump Tausende zum Sturm auf das Capitol aufgehetzt. Sie wollten den Vizepräsidenten aufknüpfen! Sie wollten den neuen rechtmäßigen Präsidenten verhindern. Wir haben erlebt, wie der russische Präsident Putin sich in einen Diktator verwandelt und die Ukraine überfallen hat.

Wir sind nicht die Marionetten unserer Gene. Wir müssen aufpassen. Wir haben die Wahl zwischen Gut und Böse, jeden Tag aufs Neue. Wer sein Kreuzchen bei der AfD setzt, der sollte ganz genau wissen, dass er damit die Demokratie abwählt.

Beim Blick auf Ihre Bibliografie fällt auf, dass Sie sich in Ihren Büchern immer mit unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Themen auseinandersetzen. Haben Sie für Ihren nächsten Roman bereits eines vor Augen?

Nicht so sehr ein naturwissenschaftliches, eher ein soziologisches: Ich frage mich, welches die beste Gesellschaftsform für uns Menschen ist. Und wie wir das ohne Ideologie, ohne Revolutionen, ohne Blutvergießen auf vielleicht sogar wissenschaftlich nüchterne Art und Weise herausfinden können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Jens Lubbadeh: Der Klon • Wilhelm Heyne Verlag, München, 2022 • 480 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: 15,00 € • im Shop

[bookpreview] 978-3-453-32013-0

 

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