16. Juli 2022 1 Likes

„Frankenstein“ von Georges Bess

Der Klassiker als üppige, teils überraschende Comic-Adaption

Lesezeit: 2 min.

Nach der opulenten „Dracula“-Adaption von Comic-Künstler Georges Bess („Der weiße Lama“, „Juan Solo“) legt Splitter nun mit Bess’ nicht weniger üppiger „Frankenstein“-Neuinterpretation nach, und natürlich gibt es das Ganze wieder im extra-großen Hardcover-Album. Mary Shelleys erstmals 1818 veröffentlichter Roman über die menschliche Hybris und künstlich geschaffenes Leben ist ein prägender Klassiker von Schauerliteratur, Horror und Science-Fiction, der schon oft in diversen Medien adaptiert und sonst wie verwurstet wurde. Wer sich etwa mit Comics beschäftigt, denkt wahrscheinlich sofort an die legendären Illustrationen im Stil alter Stiche, die Ausnahmekünstler Bernie Wrightson vor fast 40 Jahren anfertigte (Splitter bringt Anfang 2023 übrigens erstmals eine deutschsprachige Buchausgabe des Romans mit der grandiosen Wrightson-Bebilderung). Wrightsons Frankenstein-Motive haben sich definitiv eingebrannt.

Georges Bess tut daher gut daran, sich nach dem eisigen Prolog seiner eigenen „Frankenstein“-Adaption möglichst oft von allzu exzessiven Schraffuren in Wrightson-Manier fernzuhalten. Bess’ Ansatz bedient sich eher an alten amerikanischen Genre-Comics. Allerdings bricht er die klassische Panel-Anordnungen immer wieder auf: Für große, beeindruckende Splashpages, und für einen starken Flow zwischen wenigen großen Panels. Doch nicht nur das hebt Bess’ „Frankenstein“-Fassung von anderen gezeichneten Umsetzungen ab. Natürlich muss auch der in Frankreich geborene, heute in Spanien lebende Bess die Kernszenen der Ursprungserzählung einfangen, da gibt es nicht so viel Spielraum. Aber Bess nimmt wie schon in seiner „Dracula“-Adaption ein paar Momente und Abschnitte aus Shelleys „Frankenstein“, denen er durch seine Kunst mehr Raum zum Wirken und Strahlen gibt. Auch nutzt Bess in seinem Schwarz-Weiß-Artwork häufiger das Helle als das Dunkle, ist seine „Frankenstein“-Auslegung keineswegs so finster, wie man das vielleicht erwartet. Hier und da fügt er dem langlebigen Mythos sogar eine eigene Idee hinzu.

All das macht „Frankenstein“ in der Visualisierung – der Vision – von Georges Bess selbst für weit herumgekommene Fans des vielfach zum Leben erweckten Originals zu einem Genre-Vergnügen und Comic-Erlebnis.

Abb.: © Éditions Glénat 2019 Georges Bess/Splitter Verlag

Georges Bess, Mary Shelley: Frankenstein • Splitter, Bielefeld 2022 • 208 Seiten • Hardcover: 39,80 Euro

 

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