24. Januar 2021 2 Likes

„Dracula“ - Eine neue Comic-Adaption von Georges Bess

Der Klassiker in eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bildern

Lesezeit: 2 min.

Untot oder unsterblich? 1897 veröffentlichte der irische Dramatiker Bram Stoker seinen heute weltberühmten Roman „Dracula“, eines der prägendsten Werke der Fantastik und der Popkultur. Neil Gaiman bezeichnet den einflussreichen Vampir-Überklassiker in einem Vorwort zu einer aktuellen Ausgabe als „viktorianischen Hightech-Thriller auf dem neuesten Stand von Technik und Wissenschaft“ [der damaligen Zeit].

Graf Dracula muss eigentlich nur Sherlock Holmes fürchten, wenn es darum geht, wer in mehr Filmen und anderen Werken adaptiert wurde. Auch in Comic-Form sah der Fürst der Blutsauger schon viele Könner, die ihn neu interpretierten: Marv Wolfman, Gerry Conway, Gene Colan und andere inszenierten in den 1970ern Marvels klassische „Die Gruft von Dracula“-Serie, die Stokers Helden in die Moderne holte; Mike Mignola und Roy Thomas setzten den Comic zu Francis Ford Coppolas Verfilmung von 1992 um; Don McGregor und Thomas Yeates ließen Dracula im Folgejahr gegen Zorro antreten; und Doug Moench und Kelley Jones brachten ab 1991 in mehreren Alternativwelt-Comics und Elseworlds-Meilensteinen die Mythen von Batman und Dracula zusammen, machten den Dunklen Ritter sogar zum Vampir.

2019 entstand außerdem eine neue, großformatige Panel-Adaption des Comic-Künstlers Georges Bess für den frankobelgischen Markt, die als „Bram Stoker Dracula“ bei Splitter nun auch auf Deutsch vorliegt. Den 1947 geborenen Franzosen Bess kennt man für seine eigene Serie „Der Vampir von Benares“ sowie für den Science-Fiction-Comic „Anibal 5“, der genauso aus der Feder von Alejandro Jodorowsky stammt wie die ebenfalls von Bess visualisierten Titel „Der weiße Lama“ und „Juan Solo“. Den „Dracula“-Comic hat Bess alleine umgesetzt, und der prächtig aufgemachte und bebilderte Großband lässt einen aufgrund der opulenten Optik allemal Staunen. Vom Zeichenstil her liegt diese Schwarz-Weiß-Umsetzung des Klassikers irgendwo zwischen Chris Riddell, Gary Gianni und Bernie Wrightson.

Die Story des Kampfes von Van Helsing und Co. gegen Dracula, den Stoker im Roman mittels Briefen, Tagebucheinträgen und anderem erzählte, adaptiert Bess ziemlich gut. Die vielen Textkästen, die dazu teils nötig sind, hat er gekonnt in die interessanten Seitenlayouts integriert. Außerdem erweist es sich als geschickter Schachzug, das visuell eindrucksvolle sechste Kapitel des Originals – mit einem auf einer Klippe gelegenen Friedhof an Englands Küste – zum Einstieg des Comics zu machen. Andere Szenen verkürzt Bess, ohne dem Handlungsfluss in der Summe zu sehr zu schaden. Doch die gelegentliche Komprimierung muss sein, damit Bess an anderer Stelle förmlich in bestimmten Szenen schwelgen, stimmungsvolle und oft spektakuläre Seiten schaffen kann.

Georges Bess tut für „Dracula“ am Ende nicht ganz das, was der bereits erwähnte Bernie Wrightson einst mit seinen pompösen, detailverliebten Illustrationen für Mary Shelleys „Frankenstein“ leistete – eine sehr schöne und reizvolle Adaption ist diese jüngste Comic-Fassung des zeitlosen „Dracula“-Stoffes trotzdem geworden.

Abb. © Éditions Glénat 2019 Georges Bess/Splitter Verlag

Georges Bess: Bram Stoker Dracula • Splitter, Bielefeld 2020 • 208 Seiten • Hardcover: 39,80 Euro

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