Banksy – Die illustrierte Geschichte

Seit den 1990ern Jahren mischt Banksy mit seiner Street- und Performance-Art die internationale Kunst-Szene auf, teilweise führt er sie auch an der Nase herum oder genüsslich vor. Eine in den Louvre geschmuggelte Fake-Mona-Lisa mit Smiley-Lächeln an der Museumswand, das banksy-typische Schablonen-Graffiti auf dem Grenzwall im Gaza-Streifen oder ein Bild, das nach der hochpreisigen Versteigerung durch einen Mechanismus im Rahmen überraschenderweise geschreddert wird – Banksy steht für unkonventionelle, aufsehenerregende Kunst, die Schlagzeilen generiert, Grenzen überwindet, Normen verschiebt und Missstände anprangert. In ihrem Comic „Banksy – Die illustrierte Geschichte“ (im Shop) spüren Autor Francesco Matteuzzi und Zeichner Marco Maraggi dem Phänomen Banksy nun passenderweise mittels der neunten Kunst des grafischen Erzählens nach.

Eingebettet ist ihre Spurensuche in eine Rahmenhandlung um den Sprayer Adam und die Art-Vloggerin/Banksy-Expertin Claire, die sich durch Zufall in London begegnen, zusammen für eine von Andy mit der Sprühdose verzierte Mauer verknackt werden und ihre Sozialstunden nebeneinander ableisten müssen. Während sie illegal-bemalte Wände putzen und tünchen, kommen die beiden jungen Leute ins Gespräch – über die Straßenkunst und ihre schattenhafte Lichtgestalt Banksy. Claire nimmt Adam sogar mit auf eine Tour hin zu den Anfängen der Street-Art-Ikone, hinter der sich vielleicht der Aktivist und Künstler Robin Gunningham aus Bristol, vielleicht Gorillaz-Frontmann und Tank Girl-Erfinder Jamie Hewlett oder womöglich doch eher ein Kollektiv verbirgt. Schließlich arbeiten Claire und Adam gemeinsam an einer Video-Dokumentation über Banksy: über seine anti-kapitalistische, anti-ausbeuterische Messages, seine politischen Statements und seine Veränderung der Realität durch die direkte, urbane, unvorhersehbare, interaktive Straßenkunst überall auf der Welt; und somit letztlich Wege des künstlerischen Protests inmitten unserer modernen Welt, die wir im Angesicht von Schwergewichten wie Konsum, Krieg und Klimawandel womöglich mehr brauchen denn je.

Comic-Biografien liegen seit einigen Jahren ziemlich im Trend, und die deutschsprachigen Verlage folgen ihm gerne. Dennoch ist eine klassische Banksy-Bio aufgrund der bewundernswerten Anonymität, die zum Mythos dazugehört, allerdings nicht so ohne Weiteres möglich. Ein Sachcomic über die Entwicklung und Prinzipien der Street Art sowie alles, was zu Banksy und seinem erstaunlichen Werk als bekannt und gesichert gilt, geht da definitiv als nächstbeste Lösung durch, selbst wenn damit dramaturgische und faktische Einschränkungen einhergehen. Doch die Banksy-Legende ist faszinierend genug – da kommt es neben dem Infotainment nicht einmal auf einen allzu spannenden Plot in der Rahmenhandlung an (was nie Sinn und Zweck dieses Bandes ist). Der italienische Autor und Journalist Francesco Matteuzzi, der schon Comic-Bios über Science-Fiction-Gigant Philip K. Dick, Mark Rothko, Hokusai und Anna Politkovskaya verfasst hat, bereitet seine Themen gut auf. Mattteuzzis jüngerer Landsmann Marco Maraggi nutzt in seiner bis dato größten Panel-Publikation nach Fanzine-Beiträgen überall auf der Welt und Musikband-Artwork einen nüchternen, klaren Stil, der ein bisschen in die Richtung von Bryan Talbot geht. An ein, zwei Stellen verlassen Matteuzzi und Maraggi die sachliche Schiene und fügen in werkgetreuer Banksy-Manier surreale Elemente in ihren Comic ein.

Am Ende glänzt ihre Betrachtung von Banksy und der Street Art primär durch Zugänglichkeit und Informationsgehalt für alle – und macht als Sachcomic jederzeit einen ordentlichen Job. Auch, weil das Kreativ-Team einem die Philosophie, den Spirit und die Möglichkeiten der aktivistischen und bisweilen regelrecht realitätsverändernden Straßenkunst von Banksy und anderen interessant vermittelt.

Francesco Matteuzzi, Marco Maraggi: Banksy – Eine illustrierte Geschichte • Prestel, München 2022 • 128 Seiten • Hardcover: €18,– (im Shop)