26. Mai 2021 1 Likes

Mary Shelley: Die Comic-Biografie

Ein Panel-Portrait der Autorin von „Frankenstein“ und „Der letzte Mensch“

Lesezeit: 3 min.

Die englische Autorin Mary Wollstonecraft Shelley (1797–1851) kennt und würdigt man als Autorin des Romanklassikers „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“, der unserer Popkultur schon 1818 eines ihrer berühmtesten Monster schenkte und Shelley letztlich zur Mutter der modernen Science-Fiction über künstliches Leben und menschliche Hybris machte. Aktuell feiert das deutschsprachige Feuilleton Shelley außerdem für ihre Pandemie-Dystopie „Der letzte Mensch“ aus dem Jahr 1826. Dennoch geht es Mary Shelley letztlich wie Bram Stoker, Arthur Conan Doyle und einigen anderen: Trotz der Klassiker, die sie schufen, sind ihre Schöpfungen bekannter als deren Schöpfer, und gerade bei Shelley drängt sich da der Gedanke mit Monster und Macher umso mehr auf. Gut also, dass bei Knesebeck nach Comic-Biografien über z. B. Marie Curie, Walt Disney, George Orwell und Muhammad Ali nun ein Panel-Portrait von Frankensteins Erfinderin und Erweckerin vorliegt.

Autor Alessandro Di Virgilio und Zeichnerin Manuela Santoni beginnen ihren Comic mit einer schweren Geburt, nach der Shelleys Mutter, die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft, nicht mehr lange zu leben hat. Die junge Halbwaise Mary Shelley wächst daher unter verschiedenen Einflüssen auf, allen voran den intellektuellen Kreisen und Gesellschaften ihres Vaters, des frühen Sozialphilosophen William Godwin. Aber auch das Anwesen von Freunden der Familie in Schottland oder ihre Stiefmutter hinterlassen einen bleibenden Eindruck bei Shelley. Es folgen mehrere Stationen, die zu Frankensteins Geburt führen sollen: Ihre Beziehung mit dem Dichter Percy Bysshe Shelley, Reisen auf den Kontinent, der frühe Tod ihres Kindes, und natürlich jene Zeit am Genfer See, die sie mit ihrem Gatten, Lord Byron und anderen verbrachte – mit einem Vulkanausbruch im Hintergrund und einem Monster in ihren Albträumen, das sie in ihrer vielfach adaptierten und interpretierten Über-Schauergeschichte beschwören sollte.

Man muss es Autor Di Virgilio hoch anrechnen, dass Dr. Frankenstein und seine Kreatur in diesem Comic kaum eine Rolle spielen, erst zum Schluss durch eine unvermeidbare Erwähnung und einen hübschen erzählerischen Kniff einbezogen werden (obwohl einen selbst dieser Kniff zuvor bei mehreren Gelegenheiten wegen der Erzählperspektive die Stirn runzeln lässt). Mary Shelleys Comic-Biografie gehört ihr, sieht man von einer Exkursion ins Leben ihres Mannes ab. Das wird der wichtigen Autorin, der historischen Persönlichkeit, dem spannenden Menschen Mary Shelley absolut gerecht. Umso bedauerlicher, dass die Biografie mit Frankensteins Auftauchen endet, als wäre es nur darauf angekommen. Darüber hinaus tut Di Virgilio der Panel-Bio mit seiner Inszenierung oftmals keinen Gefallen, weil Szenen und Texte teils unnötig sperrig und entrückt wirken, was nicht nur mit den verwendeten Zitaten zu tun hat.

An den Zeichnungen von Manuela Santoni liegt das allerdings nie. Die Cartoonistin und Illustratorin aus Rom, die bereits Comics über Jane Austen und die Brontë-Schwestern veröffentlicht hat, zählt Manuele „Die Übertragung“ Fior, Cyril „Drei Schatten“ Pedrosa sowie Craig „Blankets“ Thompson zu ihren Lieblingskünstlern – in „Mary Shelley“ kanalisiert sie vor allem den Amerikaner Thompson. Ihre Schwarz-Weiß-Bilder, hin und wieder mit ein bisschen effektivem Blutrot aufgemöbelt, haben einen groben, einfachen Strich und einen guten Flow. Zudem beweist Santoni ein Händchen für die Expressionen ihrer Figuren und für düstere Stimmungen.

Letztlich ist „Mary Shelley – Die Comic-Biografie der Frankenstein-Schöpferin“ in der Summe besser als ihre szenischen Einzelteile. Denn obgleich das ansprechend bebilderte Panel-Biopic erzählerisch im Detail zu selten überzeugt, hat man am Ende trotzdem ein gutes Bild der prägendsten Momente von Mary Shelleys Leben – wenngleich auch nur bis zu ihrer Begegnung mit ihrem Monster, das sie stets in den Schatten stellt.

Alessandro Di Virgilio & Manuela Santoni: Mary Shelley – Die Comic-Biografie der Frankenstein-Schöpferin Knesebeck, München 2021 • 136 Seiten • Hardcover: 20 Euro

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