„Kindred: Verbunden“ – Vom Regen in die Traufe
Die gelungene TV-Adaption von Octavia Butlers Romanklassiker
Vermutlich ist eine ungeplante Zeitreise immer ein Schock, egal in welcher Zeit, an welchem Ort man wieder zu sich kommt. Wie groß muss da erst der Schock für die 26jährige Schwarze Dana James (Mallori Johnson) sein, als sie aus dem Los Angeles des Jahres 2016 in die Antebellum genannte Zeit katapultiert wird, in der im amerikanischen Süden noch die Sklaverei herrschte.
Wie geht eine emanzipierte Schwarze der Gegenwart damit um, in einer Zeit zu existieren, in der sie und ihresgleichen weniger wert waren als Vieh und von den weißen Sklavenhaltern dementsprechend be- und misshandelt wurden? Dass ist der Ansatz von Octavia Butlers (im Shop) Roman „Kindred“, der nun, gut 40 Jahre nach Veröffentlichung, zu einer Serie adaptiert wurde.
Viel hat sich seit Ende der 70er Jahre getan als Butler ihren Roman schrieb: Dass ein Schwarzer Präsident werden würde, hat damals wohl kaum jemand erwartet und auch über solche Symbole hinaus hat die Diskriminierung und Benachteiligung von Schwarzen und anderen Bevölkerungsgruppen in den USA stetig abgenommen – ohne allerdings einen Zustand erreicht zu haben, in dem das Verhältnis der Ethnien keine Rolle mehr spielen würde.
Wie viel sich jedoch verändert hat zeigen immer mehr Spielfilme und Serien, die sich mit Aspekten des Themas auseinandersetzen, die vor allem auch für die weiße Bevölkerung mehr als unangenehme Wahrheiten über die Sklaverei und Rassismus behandeln: Die TV-Adaption von „Watchmen“ etwa, „Lovecraft Country“ und natürlich Barry Jenkins „The Underground Railroad“, der deutlichste Bezug zu „Kindred“.
Denn weite Teile der Serie spielen auf einer Plantage im Süden der USA, zu der Dana immer wieder hingezogen wird. Anfangs hält sie es noch für Albträume, doch bald fällt es ihr immer schwerer, in die Gegenwart zurückzukehren. Bei einem „Ausflug“ nimmt sie zudem ihren Freund Kevin (Micah Stock) mit, einen Weißen, man muss die Hautfarben der Figuren so betonen, denn im Gegensatz zu Dana ist Kevin im alten Süden der USA automatisch viel mehr wert als sie.
Als wandernder Musiker, der überfallen wurde, gibt sich Kevin aus und Dana als seine Sklavin. Dass beide vollkommen unpassend für die Zeit gekleidet sind, sorgt nur kurz für Irritationen, bald fügt sich Kevin immer besser in das Leben auf einer Plantage ein, wo die beiden Obdach gefunden haben. Dana dagegen, in der Gegenwart eine emanzipierte Frau, die gerade nach Los Angeles gezogen war, muss machtlos mitansehen, wie Schwarze willkürlich behandelt, ausgepeitscht, auch vergewaltigt werden.
Das kluge an Butlers revolutionärem Konzept, das in der TV-Serie behutsam an die Verhältnisse der Gegenwart angepasst wurde, ist nun aber, das keineswegs einfache Kontraste bedient werden: Auch in den Szenen, die in der Gegenwart spielen, hat Dana mit Rassismus zu kämpfen, zwar nicht dem expliziten der Vergangenheit, dafür mit der unterschwelligen der Gegenwart. Ihre neuen Nachbarn erweisen sich da etwa als besonders misstrauisch, als sie Geräusche aus Danas Haus hören, schnüffeln herum, mischen sich ein, besonders weil – so wird impliziert – Dana Schwarz und deswegen verdächtig ist.
Ein ungewöhnliches, originelles Konzept spielt „Kindred“ in acht Folgen durch und zeigt dabei, das sich im Laufe der Jahrhunderte zwar viel verändert hat, aber noch lange nicht genug, das Rassismus und Diskriminierung heutzutage zwar weniger offen zur Schau gestellt werden, aber nicht weniger existieren.
(„Kindred“ lief bereits vergangenes Jahr in den USA und wurde inzwischen nach nur einer Staffel eingestellt. Disney+ zeigt die deutsche Fassung seit wenigen Tagen.)
Kindred • USA 2022 • Showrunner: Branden Jacobs-Jenkins • Darsteller: Mallori Johnson, Micah Stock, Ryan Kwanten, Gayle Rankin, Austin Smith • acht Folgen, seit 19. April 2023 auf Disney+
Kommentare