20. Oktober 2023

„Bodies“ – Vier Morde durch die Zeit

Endlich wieder eine spektakuläre Serie, die nach wenigen Folgen Großes verspricht

Lesezeit: 3 min.

Ein nackter Leichnam wird gefunden, in der Longharvest Lane, in London. Auffällige Merkmale: Ein Auge scheint von einer Kugel getroffen worden zu sein und am Handgelenk befindet sich ein Tattoo mit drei Strichen. Wir schreiben das Jahr 2023, die Polizistin, die den Leichnam findet, heißt Shahara Hasan (Amaka Okafor), eine Frau, eine Schwarze, eine Muslima.

1941 bekommt der jüdische Polizist Karl Whiteman (Jacob Fortune-Lloyd) einen Anruf: Er soll Nachts eine Leiche in die Longharvest Lane bringen. Obwohl er von internen Ermittlern verfolgt wird, nimmt er den Auftrag an, steht er unter Druck? Und wenn ja, durch wen?

1890 findet der Polizist Edmond Hillinghead (Kyle Soller) ebenfalls in der Longharvest Lane einen nackten Toten und steht bald vor einem Rätsel: Der höchst rustikal sezierende Gerichtsmediziner schaut sich das Gehirn an, doch die Kugel fehlt.

Drei Zeitebenen, drei Polizisten, drei Leichen, die alle der selbe Mensch zu sein scheinen. Mit dieser Prämisse beginnt die Netflix-Serie „Bodies“, die auf der Graphic Novel von Si Spencer (erschienen bei Vertigo/DC Comics) basiert und mit häufigen Split Screens ihr Vorbild zitiert.

Die Verbindung der Zeitebenen geschieht fließend, in jeder Ära explodieren Gaslampen, in jeder Ebene agiert ein*e Außenseiter*in, mal ein Homosexueller, mal ein Jude, mal eine Muslima, in jeder Ebene hören die Figuren den eigentlich freundlichen, aber doch ominös wirkenden Satz „Know you are loved“- „Wisse, dass Du geliebt wirst.“

Und was ist eigentlich mit dem vierten Mord, werden aufmerksame Leser nun denken, denn bislang war ja nur von drei Zeitebenen die Rede. Nun, wenn man den Titel der Internetseite, auf der dieser Text erscheint, in Betracht zieht, mag man ahnen, wohin die Reise führt. Ja, kein subtiler Hinweis, doch was „Bodies“ mit seinem Zeitreise-Konzept macht, wirkt zumindest nach den ersten Folgen spektakulär und originell wie wenige Serien jüngster Vergangenheit.

Wenn schon am Ende der ersten Folge der Sprung in die Zukunft erfolgt, ein Schnitt, mit dem das bis dahin Gesehene komplett in Frage gestellt wird, dann mutet das fast so radikal an, wie der Moment am Ende der dritten Staffel von „Lost“, als nicht nur den Charakteren, sondern auch dem Zuschauer der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

„Bodies“ beginnt als interessante, stark gefilmte, aber noch nicht wirklich originelle Krimiserie, in der drei parallele Ermittlungen gezeigt wurden, und entwickelt sich bald zu einer dystopischen Phantasie, in der offenbar gegen das Regime gekämpft wird. Ob der Ausgangspunkt der Rebellion, der Morde (wenn es denn wirklich Morde sind) tatsächlich in der Zukunft, in der Gegenwart oder doch der Vergangenheit liegen, lässt sich nach zwei Folgen noch nicht ahnen, aber genau darin liegt die Spannung.

In einer Streaming-Welt, in der bei Netflix, Amazon, aber auch Arte oder den öffentlich-rechtlichen Sendern im Wochentakt neue Thriller-Serien Online gestellt werden, die meist kaum mehr als Variation von viel zu Bekanntem sind, die düstere Rätsel und Machenschaften behaupten, aber meist schon nach ein, zwei Folgen zu durchschauen sind, ist es schwierig, noch etwas Neues zu bieten.

„Bodies“ schafft dies mit gar nicht mal besonders originellen Mitteln: Jeder ermittelnde Polizist, egal ob im Jahr 1890, 1941, 2023 oder 2053, ist letztlich ein Klischee, ebenso wie ihr Außenseitertum. Doch die Kombination aus gleich vier solcher Figuren, die auf nicht sofort zu durchschauende Weise durch Raum und Zeit verbunden sind, erzeugt einen ganz eigenen Reiz, eine Spannung, die „Bodies“ weit aus dem Gros der aktuellen Streaming-Serien heraushebt.

Bodies • GB 2023 • Creator: Paul Tomalin • 8 Folgen, jetzt auf Netflix

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