3. Juni 2024

Stephen King: „Ihr wollt es dunkler“

Eine neue Sammlung mit kürzeren und längeren Erzählungen des Meisters

Lesezeit: 3 min.

Stephen King (im Shop) gehört zu den Einhörnern des Literaturbetriebs, deren Bände mit Kurzgeschichten und Novellen genauso gut laufen wie ihre Romane. Als King-Fan zuckt man da nur mit den Schultern: Elementar. Ein neues Buch von Stephen King – mehr muss man nicht wissen. Und so kommt es, dass der inzwischen 76-jährige US-Bestsellerautor nicht nur zu den erfolgreichsten oder produktivsten Romanciers des 20. und 21. Jahrhunderts gehört, sondern über die Jahre auch eine Hundertschaft kürzerer Prosatexte verfasst hat. Wer jetzt in sein riesiges King-Regal schaut, lässt den Blick über Kollektionen wie „Nachtschicht“ (die Erste von 1978), „Sunset“ (im Shop), „Basar der Bösen Träume“ (im Shop) oder „Blutige Nachrichten“ (im Shop) schweifen. Ende letzten Jahres erschien sogar „Briefe aus Jerusalem – Erzählungen kosmischen Schreckens“, ein exklusiv für den deutschsprachigen Markt zusammengestellter Band mit Kings Beiträgen zum Cthulhu-Mythos nach H. P. Lovecraft (im Shop), für den ich die Ehre hatte, das Vorwort zu schreiben. Bucket-List-Moment.

Nun liegt mit „Ihr wollt es dunkler“ (im Shop) eine neue, über 700 Seiten starke Sammlung von Stephen Kings Novellen und Kurzgeschichten vor, genau ein Dutzend. Bezeichnend: Auf dem Backcover fragt der König seine Fans lediglich, ob sie es auch dunkler mögen würden, so wie er, und dann sei es ja gut – cooler geht’s auf einem Buchumschlag kaum. In den Geschichten hauptsächlich jüngeren Datums, die meisten davon auf Deutsch bisher unveröffentlicht, schreibt Mr. King dann u. a. über Alien-Besuche, sehr aktive Sterbehilfe, die folgenschwere Verwechslung eines notorischen Pechvogels (hier zitiert King sogar Ambrose Bierce), ein sympathisches Rentner/Hund-Gespann, den Sohn eines alten Erfolgsautors und die Frage nach kreativer Genialität, einen Serienkiller, den orakelnden Antwortmann, gefährliche Reptilien. Dazu gibt es z. B. noch ein loses Sequel zu Kings berühmtem Roman „Cujo“ (im Shop) aus dem Jahre 1981, eine dem Andenken an Cormac McCarthy und Evangeline Walton gewidmete Krimi-Story über einen heimgekehrten Vietnamveteranen sowie einen Tribut an die große Südstaaten-Schriftstellerin Flannery O’Connor, in dem King eine drei Generationen abdeckende Familie auf eine immer heftiger eskalierende Autofahrt schickt. Viele Texte sind zudem wieder in King Country um Castle Rock angesiedelt, ein paar während Corona.


Stephen King. Foto © Shane Leonard

Die mit Abstand beste Erzählung ist zugleich die längste: „Danny Coughlings böser Traum“, von King eigens für dieses Buch geschrieben, hat in der Übersetzung stramme 224 Seiten, ist also mindestens eine Novelle, letztlich schon ein Kurzroman – und vergeht beim Lesen wie im Flug. Der vorbestrafte Schulhausmeister Danny träumt eines Nachts vom Fundort einer halb verscharrten Leiche, fährt hin, findet die Überreste der Ermordeten, gibt der Polizei einen anonymen Hinweis – und wird zum Hauptverdächtigen. Das leicht satirische, spannende Katz-und-Maus-Spiel zwischen Danny und dem obsessiven, zwangsgestörten Ermittler, der sich auf den Hausmeister aus dem Trailerpark eingeschossen hat, zeigt King in Höchstform – ein weiterer Beleg dafür, dass der Maestro in den letzten gut zehn Jahren oft im Krimi-Genre brilliert hat, angefangen beim ersten Hodges/Holly-Roman „Mr. Mercedes“ (im Shop).

„Ihr wollt es dunkler“ enthält keine klassischen Horror-Reißer wie aus Kings literarischer Vergangenheit, die einen wochenlang heimsuchen. Dafür öffnet uns Stephen King einmal mehr die Augen dafür, dass der wahre Horror in den ganz realen Schrecken des Lebens und des Menschseins liegt, die urplötzlich in jedem Alltag aufpoppen können, zuweilen mit den Jahren von ganz allein kommen. Es wird, sozusagen, von alleine dunkler …

Stephen King: Ihr wollt es dunkler • Kurzgeschichten • Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner, Jürgen Bürger, Karl-Heinz Ebnet, Gisbert Haefs, Marcus Ingendaay, Bernhard Kleinschmidt, Kristof Kurz, Gunnar Kwisinski, Friedrich Sommersberg, Sven-Eric Wehmeyer • Heyne, München 2024 • 736 Seiten • Erhältlich als Hardcover, eBook, Hörbuch MP3-CD und Hörbuch Download • Preis des Hardcovers: € 28,00 im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszoneerschienen.

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