Alien: Gedruckter Xenomorphen-Horror für kalte Zeiten
Unter der Bettdecke hört Dich niemand schreien
Die „Alien“-Reihe ist einfach nicht totzukriegen. „Alien: Covenant“ entpuppte sich 2017 als Quasi-Franchise-Killer, zwar kein Flop, aber weder Kritiker, Zuschauer noch Produzenten waren besonders glücklich mit dem zwischen VHS-Philosophieworkshop und formelhafter Slasher-Routine hin- und her pendelndem sechsten Teil. Die Marke ging erstmal in den Tiefschlaf, feierte 2024 dann aber eine gloriose Rückkehr mit „Alien: Romulus“. Film Nummer sieben entpuppte sich als Hit, worüber man sich durchaus wundern kann, denn der von Fede Alvarez („Evil Dead“, 2013) immerhin schick inszenierte Weltraum-Horror ist nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Referenzen an die Vorgänger, frische Ideen sucht man vergeblich, dafür dürfte sich die „Alien“-Marke dank stark verjüngter Besetzung nun ein neues Publikum erschlossen haben.
Sei es wie es sei. „Alien“ ist jedenfalls wieder auf dem Gleis, die Fortsetzung zu „Alien: Romulus“ ist selbstverständlich in Arbeit und nicht nur das. Es wird noch einen weiteren Film geben, in dem Ridley Scott, der Regisseur des ersten Films „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer Fremden Welt“ (1979), von „Covenant“ und von „Prometheus – Dunkle Zeichen“ (2012) sich stark einbringen will (ob er die Regie übernimmt, ist allerdings unklar).
Des Weiteren startet 2025 die Fernsehserie „Alien: Earth“ bei Hulu/Disney, auf die man sich tatsächlich ein klein wenig freuen kann. In dieser Prequel-Serie, die vor dem ersten Teil spielt, gibt es einen inhaltlichen Dreh, der in den stets in Raumschiffen spielenden Kinofilmen schon lange fällig ist: Die Aliens landen endlich mal auf der gottverdammten Erde und mischen die Bewohner auf, und da Showrunner Noah Hewley mit „Fargo“ und „Legion“ zwei gute Serien im Köchelverzeichnis hat, könnte das vielleicht tatsächlich was werden.
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Um sich die Zeit bis zum neuen Bewegtbildmaterial zu vertreiben kann man entweder alle bisherigen Filme noch mal gucken oder – die bessere Wahl – zu Gedrucktem greifen, denn da gibt’s durchaus Empfehlenswertes.
So hat der legendäre Taschenverlag neulich Hans Rudi Giger, besser bekannt als HR Giger, eine der Schlüsselpersonen im „Alien“-Universum, eins dieser für Taschen typischen, riesigen (39,5 cm x 29 cm), ultraschweren (6 kg) Bücher gewidmet, mit denen man prima Schwiegermütter erschlagen kann.
Ohne die Leistungen der anderen Beteiligten schmälern zu wollen, aber „Alien“ hätte nie eine derartige popkulturelle Tiefenwirkung entfaltet, wäre der Schweizer Künstler nicht engagiert worden, um an der visuellen Seite mitzuarbeiten, die titelgebende, unverwechselbare Kreatur wurde komplett von ihm gestaltet – das prominenteste Beispiel der von ihm initiierten biomechanischen Kunst, die mechanische mit organischen Elementen verbindet.
Durch „Alien“ wurde Giger erstmals einem großen Publikum bekannt, allerdings sollte er fortan immer eng mit seiner oscargekrönten Schöpfung verknüpft bleiben, das Werk davor und danach stand stets im Schatten des Xenomorphen, Giger ist bis zum heutigen Tage immer erstmal Alien.
Und dabei hatte der 2014 verstorbene, als scheu geltende Surrealist noch so viel mehr zu bieten. Er schuf unzählige Gemälde, Grafiken, Skulpturen, prägte die Death- und Black-Metal-Szene mit seinen finsteren Motiven, er entwarf die Harkonnen-Stühle und anderes für Alejandro Jodorowskys unrealisierte Verfilmung von Frank Herberts Kultbuch „Dune“ (im Shop) oder den Mikrofonständer von Jonathan Davis, dem Sänger der Nu-Metal-Band Korn. Er übte weiterhin einen großen Einfluss auf die Tattoo-Szene aus. Und natürlich war er an weiteren Filmen wie „Poltergeist II – Die andere Seite“ (1986), „Species“ (1995) oder „Kondom des Grauens“ (1996) beteiligt.
Dank „H.R. Giger“ kann man nun in die Welt des Ausnahmekünstlers eintauchen. Auf 506 Seiten ist alles zu begutachten, was Giger je produziert hatte: Ein in drei großen Kapiteln unterteilter Streifzug an dem man sich kaum sattsehen kann und der nicht nur dank Ausklappseiten, die die Motive auf drei Seiten vergrößern, immer wieder dazu verleitet, die Abbildungen herauszureißen um sich mit der dargebotene Bilderpracht die Wände zu tapezieren.
Selbstverständlich finden sich auch die Entwürfe für „Dune“ und ein großer Block zum Thema „Alien“. Vom „Necronom IV“, der beeindruckenden Inspirationsquelle für das Alien und Zeichnungen des Schreckenswesen in seiner seit Jahrzehnten weltweit bekannten Form, über Entwurfsskizzen zu verschiedenen Motiven bis hin zu einer doppelseitigen Abbildung, die Giger bei der Arbeit am Alien-Kostüm zeigt: Jedem Fan (und wer auf dieser Welt liebt nicht mindestens die ersten beiden Teile?) wird die Sonne im Herzen aufgehen. Das macht schon was her und wirkt teils gruseliger als die letzten Fortsetzungen der Kinofilmreihe.
Begleitet wird das von einem Text von Andreas J. Hirsch, der in zwei Sprachen, Deutsch und Französisch, abgedruckt ist und kenntnisreich durch diese so faszinierenden, regelrecht hypnotischen Bilderwelten begleitet. Ergänzt wird der Textteil noch durch einen chronologischen Kurzrundgang durch Gigers Leben, eine Auflistung mit allen Ausstellungen und eine Bibliographie. Natürlich, das Buch ist nicht billig (€ 175,00), aber es ist eine Anschaffung, an der man viel, viel Freude haben wird.
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Bücher nach Filmen – Novelizations – genießen nicht gerade den besten Ruf, aber es gibt ziemlich interessante Ausnahmen, gerade bei den älteren, und dazu gehören die ursprünglich zwischen 1979 und 1992 erschienenen Romane zu den ersten drei „Alien“-Filmen, geschrieben von Alan Dean Foster (im Shop als Sammelband im eBook-Format erhältlich).
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wieso man was lesen soll, was man gucken kann. Ein unschlagbares Argument sich in den Buchstabenwald zu begeben lautet: Da Buchadaptionen in Pre-Netflix-Zeiten einen weitaus größeren Stellenwert hatten als heute, es war oft die einzige Möglichkeit einen Film nach dem Besuch im Lichtspieltheater erneut zu erleben, wurden sie dementsprechend zeitig in Auftrag gegeben, um direkt oder möglichst nahe beim Filmstart erscheinen zu können. Dementsprechend musste die Autoren ihre Werke oft nach frühen Drehbuchfassungen schreiben und da Alan Dean Foster (mehr im Shop) – der Mann ist unter anderem bekannt für Buchableger der „Star Wars“-Filme – sich auch generell Freiheiten bei seinen Adaptionen gönnt, kriegt man hier interessante Alternativfassungen der Filme zu lesen, in denen sich viele kleinere und größere Abweichungen finden. So sehen Kreaturen zum Beispiel anders aus, es gibt veränderte Szenen oder kleine neue Momente. Selbst wenn einem am Ende die Kinoversionen besser gefallen sollten: es macht definitiv viel Spaß die bekannten Geschichten noch mal neu zu erleben.
Das gilt genauso für Pat Cadigans Version von „Alien 3“ (im Shop), die auf einem unverfilmten Drehbuch von Science-Fiction-Ikone William Gibson („Neuromancer“) basiert und die letztes Jahr an dieser Stelle besprochen wurde.
HR Giger • Taschen, Köln 2024 • 506 Seiten • Hardcover: €175,00
Alan Dean Foster: Alien • 3 Romane in einem Band • Aus dem Amerikanischen von Heinz Nagel, Irene Holicki, Thomas Hag • Heyne, München 2014 • eBook: € 4,99 • im Shop
Pat Cadigan: Alien 3 • Roman • Aus dem Englischen von Kristof Kurz, Stefanie Adam • Heyne, München 2023 • 448 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 17,00 • im Shop
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