1. März 2025

„We Felt a Star Dying“ - Quantumania

Die LAS Foundation präsentiert eine spektakuläre Ausstellung von Laure Prouvost

Lesezeit: 4 min.

Wie eine gigantische Qualle wirkt das Gebilde, das fast die ganze Länge des ehemaligen Kraftwerk Berlin einnimmt, eine gut 100 x 50 Meter große Halle, mehrere Etagen hoch, seit Jahren einer der schon im leeren Zustand beeindruckendsten Ausstellungsorte in der Hauptstadt. Im Mittelpunkt, quasi unter dem Quallenschirm, laden Kissen zum Liegen ein und zur Betrachtung des Videos, das im inneren der „Qualle“ projiziert wird: Disparate Bilder sind hier zu sehen, Aufnahmen von Tieren und Menschen, der Natur, dem Kosmos, quasi allen Elementen unter dem Himmel.

Läuft das Video noch als kontinuierlicher Loop, werden die sechs in die tiefe des Raums greifenden, aus fast durchsichtigem Material bestehenden Tentakel von willkürlichen Algorithmen gesteuert, bewegen sich langsam auf und ab, leuchten, offenbaren faszinierende Perspektiven und laden zu den Gedankensprüngen und -spielen ein, um die es hier geht.


Laure Prouvost, WE FELT A STAR DYING 2025. Installationsansicht im Kraftwerk, Berlin.  In Auftrag gegeben von LAS Art Foundation, gemeinsam mit OGR Torino. © 2025 Laure Prouvost. Foto: Andrea Rossetti

Im Auftrag der LAS-Foundation, die seit Jahren wechselnde Orte Berlins bespielen lässt, nimmt sich die französische Künstlerin Laure Prouvost in ihrer Installation „We Felt a Star Dying nicht weniger als einem der rätselhaftesten, komplexesten und vielleicht bald auch revolutionärsten Element unseres Universum an: Dem Quant. Vor gut einhundert Jahren wurden von Physikern wie Max Planck, Niels Bohr oder Werner Heisenberg die ersten Überlegungen zu jenen Elementen angestellt, die auf der Mikroebene existieren und höchst seltsame Eigenschaften besitzen. Die Heisenbergsche Unschärferelation erklärte, dass sich stets nur präzise messen lässt, wo sich ein Quant befinden oder wie schnell es sich bewegt, aber nicht beides gleichzeitig. Eigenschaften, die Quanten rätselhaft, aber auch als Möglichkeit zumindest theoretisch denkbarer zukünftiger Computer machen, die so schnell wären, dass sie selbst die schnellsten modernen, aber konventionelle Computer wie Schnecken erscheinen lassen werden.

Die Großmächte dürften in den letzten Jahrzehnten Milliarden in die Entwicklung solcher Computer gesteckt haben, denn wer zuerst so einen Computer besitzt, könnte die Welt in einem Maße beherrschen, das heute noch nicht vorstellbar erscheint. Um das zu erreichen versuchen Entwickler – bislang nur in sehr reduzierten Tests erfolgreich – Quanten ihre Instabilität auszutreiben, bzw. genauer gesagt, gerade diese Instabilität für präzise Rechenoperationen zu nutzen. Laure Provost dagegen ist Künstlerin und macht dementsprechend genau das Gegenteil: Sie lässt sich auf die rätselhaften Eigenschaften der Quanten ein und nutzt sie zu einer Ausstellung, die andeutet, wie das Universum aus myriaden Teilen zusammengesetzt ist, scheinbar planlos und willkürlich, aber dennoch erstaunliche Strukturen von großer Schönheit hervorbringt.


Laure Prouvost, WE FELT A STAR DYING 2025. Installationsansicht im Kraftwerk, Berlin.  In Auftrag gegeben von LAS Art Foundation, gemeinsam mit OGR Torino. © 2025 Laure Prouvost. Foto: Andrea Rossetti

Hat man sich an der riesigen Qualle sattgesehen, genug sphärische Klänge gehört, kann man sich eine Etage tiefer mit dem theoretischen Unterbau der Quantenphysik vertraut machen – zumindest in Ansätzen. Zahlreiche Bücher liegen aus, in Videos erklären Prouvost und ihre beiden Kollaborationspartner, der Quantenwissenschaftler Hartmut Neven und der Philosoph Tobias Rees, den Ansatz der Ausstellung und dann ist da noch ein Modell eines Quantencomputers zu sehen. Zur Verfügung gestellt vom JCNS, dem Jülich Centre for Neutron Science, wirkt das Modell, das unter einer knapp ein Meter großen, länglichen Käseglocke steht, gleichzeitig altmodisch analog und weißt doch in die Zukunft. Nicht auf einer flachen Platine, wie herkömmliche Prozessoren ist der Quantenrechner aufgebaut, sondern auf mehreren Ebenen, verbunden durch goldenen Drähten, wie Kondensatoren wirkenden Elementen und anderen Materialien. Hinweisschilder, das auf den einzelnen Ebenen Minustemperaturen erzeugt werden müssen, die nur knapp über dem absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad liegen, deuten an, mit welcher aufwändigen und schwer zu beherrschenden Technik man es hier zu tun hat.

Fast Schade, dass diese so rätselhaften Elemente wohl bald der weiteren Gewinnmaximierung von Konzernen oder dem Machtstreben der Supermächte dienen wird. Vielleicht werden die Quanten, ihre Rätsel und Möglichkeiten parallel aber noch mehr Künstler zu so eindrucksvollen Installationen inspirieren, wie die von Laure Prouvost.

Laure Prouvost: We Felt a Star Dying • Kraftwerk Berlin • bis 4. Mai, Mittwoch bis Sonntag

Abb. ganz oben: Laure Prouvost, WE FELT A STAR DYING 2025. Installationsansicht im Kraftwerk, Berlin.  In Auftrag gegeben von LAS Art Foundation, gemeinsam mit OGR Torino. © 2025 Laure Prouvost. Foto: Andrea Rossetti


Laure Prouvost, WE FELT A STAR DYING 2025. Installationsansicht im Kraftwerk, Berlin.  In Auftrag gegeben von LAS Art Foundation, gemeinsam mit OGR Torino. © 2025 Laure Prouvost. Foto: Andrea Rossetti

 

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