29. Juni 2025

„Squid Game“, 3. Staffel – Pseudo-Finale der Sado-Soap

Vorbei? Jetzt geht’s erst richtig los …

Lesezeit: 3 min.

Achtung Spoiler!

Die große Erkenntnis nach dem Ende der dritten Staffel von „Squid Game“ (Kritiken zu eins und zwei): Nein, nicht „Wir sind keine Pferde, wir sind Menschen“, wie Gi-hun am Ende in einem sakralen Moment von sich geben darf, sondern, dass „Squid Game“ eigentlich erstaunlich der „Saw“-Filmreihe ähnelt und der Erfolg somit vielleicht nicht ganz so überraschend war.

Der 2004 – bemerkenswerterweise nur zwei Jahre nach dem Start der berüchtigten TV-Show „I’m a Celebrity … Get Me Out of Here!“veröffentlichte, gerade mal 1,2 Millionen Dollar teure, erste Teil um einen mysteriösen Killer namens Jigsaw, Klarname John Kramer, der mit seinen Opfern Spiele spielt, in deren Verlauf sie, stets beobachtet von Jigsaw, sich oder andere – mitunter tödlich – verletzen müssen, um mit dem Leben davonzukommen, entwickelte sich mit einem Einspiel von 104 Millionen Dollar zu einem gigantischen Geschäft, das natürlich ausgebaut werden musste. Dabei war „Saw“ – wie „Squid Game“ – eigentlich abgeschlossen. Aber viel, viel Geld rief. Sehr, sehr laut.

So folgten bis zum heutigen Tag nicht nur neun Fortsetzungen, sondern ebenso eine breite Palette an Merchandise, inklusive diverser Vergnügungsparkattraktionen. Alles basierend auf Filmen, die im Kern einzig und allein darum kreisen, dass Menschen unter grausigsten Umständen um ihr Überleben kämpfen. Um die Gewaltszenarien irgendwie zu rechtfertigen wurden die Filme in ein pseudo-philosophisches Story-Feigenblatt gewickelt. Die sawsche Philosophie unterscheidet sich dabei auf dem ersten Blick von „Squid Game“: Jigsaw verfolgt eine verdrehte Pädagogik, seine Opfer haben sich allesamt irgendwelche Verfehlungen geleistet und sollen durch die Sadospiele wieder auf den rechten Weg gebracht werden. Aber mit zunehmender Anzahl der Filme wird deutlich, dass die Geschändeten fast ausschließlich aus der Arbeiterklasse kommen, nicht immer eine Wahl hatten, wohingegen Kramer auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken und auf ein gut gefülltes Bankkonto zugreifen kann. Somit ist man dann wieder beim Reich-/Arm-Gefälle der koreanischen Hitserie, wobei Kapitalismuskritik bei „Saw“ allerdings nur in einem der Filme wirklich Thema ist.

Dafür finden sich wieder Gemeinsamkeiten beim Umgang mit den Bösewichten: Genauso wie „Saw“ Jigsaw allmählich zur Hauptfigur formt, versucht „Squid Game“ gegen Ende den ebenso der Upperclass angehörenden Oberbösewicht als „ambivalente“ Figur zu präsent- und als mögliche Hauptfigur zu installieren.

Was beide Titel ebenso eint: Die immer elaborierteren Sets und Konstruktionen der Todespiele: So wie man sich in „Saw“ schnell fragt, wie ein Mann das alles zu Wege bekommt, wundert man sich bei der dritten „Squid Game“-Staffel allmählich, wie das alles noch in die Bösewicht-Festung passt. Aber Wahrscheinlichkeiten sind hier so egal wie alles andere auch: Es ist nun mal der Anblick verzweifelter Menschen, die sich im bizarren Kinderspielplatz-Ambiente abstechen, von meterhohen Sockeln schubsen oder beim tödlichen Seilhüpfen umkommen, der, unterstützt von genießerischer Kameraarbeit und pushendem Soundtrack, in höchste Erregung versetzt, da kann sich Serienschöpfer Hwang Dong-hyuk noch so sehr bemühen, Tiefgang herbeizureden („Es geht um Fragen wie die, ob es noch Hoffnung und Menschlichkeit gibt.“), da können die Drehbücher mit noch so vielen „emotionalen Momente“ aufwarten – dem Volk dürstet nach Blut und die Macher wissen das ganz genau und geben zum (vermeintlichen) Abschluss noch mal Vollgas.

Auch die gefühlige Volte, dass ein unschuldiges, reines Baby als Gewinner aus den Spielen hervorgeht, kann nicht verhindern, dass die Serie letztendlich kalt und zynisch wirkt – die heldenhafte Aufopferung von Gi-hun, der Figur, die man über 22 Folgen begleitet hat, wird überraschend schnell abgehakt, stattdessen werden Tore zu unzähligen Spin-offs aufgestoßen.

Das Volk will eben Blut sehen und die Macher wissen das ganz genau, außerdem verkaufen sich die Crocs nicht von alleine.

(Passenderweise wurde wenige Tage vor dem Start von Staffel 3 bekannt gegeben, dass dem „Saw“-Universum eine rosige Zukunft bevorsteht)

Squid Game3. Staffel (Südkorea 2025) • Regie: Hwang Dong-hyuk • Darsteller: Lee Jung-jae, Wi Ha-joon, Lee Byung-hun, Im Si-Wan, Kang Ha-neul, Lee Jin-Wook, Park Sung-hoon • kann ab sofort auf Netflix ignoriert werden

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