„Hammajang Luck“ von Makana Yamamoto
Eine klassische Heist-Story auf einer futuristischen, gendergerechten Raumstation
Hammajang kommt aus dem Hawaiischen und bedeutet so viel wie vergeigt, kaputt, durcheinander, chaotisch. Das passt zunächst erst einmal ziemlich gut zu Edie, der Hauptfigur von Makana Yamamotos Science-Fiction-Romandebüt „Hammajang Luck“ (im Shop), dessen Titel man also sehr frei mit Chaotisches Glück übersetzen könnte. Auch Edie hat zu Beginn des Buches unversehens Glück: Nach acht Jahren auf einem Gefängnisplaneten wird Edie überraschend entlassen und darf auf die Kepler-Raumstation zu sierer Familie zurückkehren.
Aber Edies schwangere Schwester Andie hat nicht zuletzt wegen der Krebsbehandlung ihrer Tochter Geldsorgen, und so bleibt Edie trotz guter Vorsätze gar nichts anderes übrig, als sich auf den Plan sierer Ex Angel einzulassen – obwohl Angel einst Edie in den Knast gebracht hat. Nun will die schöne Angel mit Hilfe von Edie und einigen anderen ihren Boss ausrauben, den reichsten Mann auf der Station und in der gesamten Galaxie. Eine schwindelerregende Billion Credits lockt als Beute, wenn es der auskundschaftenden, zuschlagenden, hackenden, trickbetrügenden, safeknackenden Crew gelingt, die Dokumente für die brandneue Mensch-Maschine-Schnittstelle von Joyce Atlas zu stehlen. Edie kennt sich gut in den Eingeweiden der Kepler-Station aus und soll Angels Bande sicheren Zugang zum Tresor verschaffen, und natürlich einen machbaren Fluchtweg …
In Staffel 4 der genialen Science-Fiction-Animationsserie „Rick and Morty“ gibt es eine Folge über eine Heist-Convention, in der sich die Serienmacher über die Formelhaftigkeit des Heist-Genres lustig machen – also über die typische Erzählstruktur von Geschichten, die fiktive Raubüberfälle im großen Stil behandeln. Und natürlich ist da was dran: Zuerst werden die Hauptfiguren mit ihren Motivationen sowie mit ihrem Plan für einen großen Coup etabliert. Diese versammeln dann eine über verschiedene Milieus verteilte Crew aus interessanten, exzentrischen Spezialisten, die aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten perfekt zu den einzelnen Schritten des Plans passen. Die beschwingte Umsetzung jenes Plans durch das Ensemble läuft allerdings trotzdem nicht wie am Schnürchen – irgendetwas geht schief, irgendjemand spielt falsch. Doch auch ein doppeltes Spiel oder einen vermeintlichen Punkt der Gegenseite kann man voraussehen und insgeheim einplanen, und am Ende kommen die Protagonisten und ein Teil ihrer Crew davon. Das ist die klassische Heist-Genre-Formel, die z. B. der beliebten „Ocean’s“-Filmreihe zugrunde liegt.
Diese Formel ist auch der jederzeit spürbare Beat von Makana Yamamotos Roman „Hammajang Luck“, dessen futuristisches Space-Setting „The Expanse“, „Blade Runner“ und „Neuromancer“ hübsch, vor allem jedoch mit nonchalanter Leichtigkeit vermengt. Eine Formel – ein Muster – wie die Heist-Story-Blaupause muss außerdem ja nicht automatisch ein narrativer Nachteil sein, bloß weil Rick und Morty das Sujet in einem ihrer Abenteuer durch den Kakao gezogen haben, oder weil es schon so oft durchexerziert worden ist. Erzählmuster, Klischees und Archetypen haben irgendwo immer ihre Daseinsberechtigung, ihre Kraft, ihre Wirkung, ihren Reiz. Es kommt am Ende hauptsächlich darauf an, wie sie inszeniert und arrangiert werden, und was die jeweiligen Kreativen aus ihnen zu machen imstande sind.
Makana Yamamoto nutzt die Heist-Formel so etwa für einen kurzweiligen Science-Fiction-Romankrimi, der von Anfang an durch Edies sympathische Erzählstimme punktet – und durch das Cyberpunk-Dekor auf den Ebenen der Raumstation, die von Arm nach Reich verlaufen. Auch erwärmt man sich quasi sofort für Edies Familie, in deren Darstellung Yamamoto viel Persönliches, viel hawaiianische Kultur, viel hawaiische Sprache einfließen lässt – definitiv eine Abwechslung zu den üblichen irdischen Backgrounds, die sonst ins besiedelte Weltall der Zukunft exportiert werden. Doch Yamamotos Geschichte ist natürlich auch dann spürbar persönlich, wenn es um Casual Queerness, Transmenschen und nichtbinäre Personen geht. Spätestens hier macht sich „Hammajang Luck“ die Heist-Formel dann endgültig zu eigen. Und so wird der Roman über den Raub auf der Raumstation nicht nur, aber eben auch zu einem SF-Statement für den Pride Month Juni.
Makana Yamamoto: Hammajang Luck • Roman • Aus dem Englischen von Stefanie Adam • Heyne, München 2025 • 448 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: 17,00 € • im Shop
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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“ erschienen.
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