„How to Become the Dark Lord and Die Trying“ von Django Wexler
Fantasy-Satire mit Zeitschleife, zotigem Geek-Humor und reichlich Fußnoten
Davi ist die Auserwählte aus der Prophezeiung, die eine typische High-Fantasy-Welt vor dem Dark Lord befreien soll. Allerdings stammt Davi ursprünglich aus unserer Welt, erinnert sich auch nach vielen, vielen Jahren noch an Game of Thrones, Der Herr der Ringe, Star Wars, Warcraft, Per Anhalter durch die Galaxis, Rocky, das A-Team, Twinkies. Oh, und immer, wenn sie in der Fantasy-Welt des Dark Lords zwischen Orks und Schlangenfrauen auf grausame Weise getötet wird oder sonst wie stirbt, erwacht Davi wieder am Tag ihrer Ankunft in dieser Welt, hockt im selben Wasserbecken, trifft denselben alten Zauberer, und alles geht von vorne los. Immer und immer wieder …
Nach 237 Murmeltier-Zeitschleifen und Auserwählten-Anläufen dieser Art entschließt sich Davi, es anders zu versuchen als bisher: Sie wird nicht mehr danach trachten, das Reich der Menschen vor dem Dark Lord und dessen Armee aus Wildlingen zu retten. Stattdessen wird sie ausziehen, um selbst zum Dark Lord zu werden und um ergo über eine riesige Horde aus Orks, Tiermenschen, Zwergen, Steintrollen und Yetis zu befehligen. Vielleicht kommt sie dann ja irgendwie voran und wird nicht ständig wieder sozusagen auf den ersten gespeicherten Spielstand zurückgesetzt. Selbst wenn sie für ihren Plan erst mal wieder am laufenden Band sterben muss, bis sie dank des durch Try and Error erworbenen Wissens einen Haufen Ork-Banditen davon überzeugt hat, dieser Dunklen Herrscherin in spe als erste Schergen zu folgen …
Django Wexlers Roman „How to Become the Dark Lord and Die Trying“ (im Shop) ist immer dann am besten und unterhaltsamsten, wenn man fast nicht mehr an die Möglichkeiten des Speicherpunkts und der Zeitschleife denkt, sondern einfach Spaß hat an Davis Aufstieg zur Heerführerin der Wildlinge. Denn Ich-Erzählerin Davi fegt im Buch des US-amerikanischen Autors zotig, derb fluchend, lüstern, rotzfrech, sarkastisch und mit anachronistisch-nerdigem Zynismus durch die klassische High-Fantasy-Welt, auf der sie als in Endlosschleife scheiternde Auserwählte festhängt. Dadurch hat Davi eine eigene Weltsicht bekommen, die sie ohne Blatt vor dem Mund weitergibt. Am Anfang schlagen Davi und Wexler in ihrer spaßigen Schnauzigkeit sogar ein bisschen zu sehr über die Stränge – das Buch hat im Anhang nicht umsonst eine Trigger-Warnung.
„How to Become the Dark Lord and Die Trying“ präsentiert sich trotz Videogame/Zeitschleifen-Mechanik über weite Strecken vor allem als eine große, epische Fantasy-Satire, die man in großen Stücken verschlingt, die oft an K. J. Parkers „Belagerungs“-Serie erinnert und die mehr lustige Fußnoten enthält als die „Scheibenwelt“-Romane von Sir Terry Pratchett (in besagten Fußnoten von Davi bzw. Wexler wird es teilweise wieder richtig wild und derb – und findet man die besten Lacher). Erst gegen Ende kommt die Gaming-mäßige Prämisse mit Fluch und Segen der Extraleben wieder ins Spiel, wird außerdem noch etwas mehr zu Davis Situation auf der wahrscheinlich fremden Welt, den Geheimnissen des womöglich fremden Planeten angedeutet – aber dazu dann wohl mehr im zweiten, abschließenden Band der Dilogie.
Es ist natürlich eine Unart, jede epische Fantasy sofort mit J. R. R. Tolkien oder George R. R. Martin zu vergleichen – oder jede humoristische Fantasy direkt mit dem bereits erwähnten Terry Pratchett. Zumal die Genre-Satiren von Wexler und Pratchett einfach zu unterschiedlich sind, also auch noch die berühmten Äpfel und Birnen greifen. Und dennoch! Und dennoch kann dieser ausgemachte Scheibenwelt-Fan hier guten Gewissens festhalten, seit Sir Terry keinen solchen Spaß mehr bei der Lektüre eines witzigen Fantasy-Buches mit satten 177 schrägen, fiesen Fußnoten gehabt zu haben. „Everybody Wants to Rule the World Except Me“, dem nächsten Roman mit Dark Lord Davi, wird daher allemal freudig entgegengeblickt.
Django Wexler: How to Become the Dark Lord and Die Trying • Roman • Aus dem Englischen von Ruggero Leò • Penhaligon, München 2025 • 493 Seiten • Erhältlich als Paperback, eBook und Hörbuch-Download • Preis des Paperbacks: 17,00 € • im Shop
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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“ erschienen.
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