20. Juli 2025

Zorro – Die legende lebt

Sean Murphy („Batman: Der weiße Ritter“) macht Zorro zum modernen Superhelden

Lesezeit: 3 min.

Den preisgekrönten Comic-Künstler Sean Murphy kennt man für Science-Fiction- oder Superhelden-Stoffe wie „The Wake“, „Batman: Der weiße Ritter“, „Tokyo Ghost“, „Chrononauts“ und „Punk Rock Jesus“. Nach dem nicht ganz so überzeugenden „Plot Holes“ hat sich der US-amerikanische Autor und Zeichner jetzt Heldenikone Zorro angenommen. Doch der 1980 geborene Murphy legt in „Zorro – Die Legende lebt“ nicht einfach nur seine fetzig gezeichnete Version der vielfach adaptierten historischen Abenteuergeschichte über den maskierten Rächer vor, die Autor Johnston McCulley 1919 erstmals in den Pulp-Magazins entfesselt hat. Nein, Murphy interpretiert den Zorro-Mythos in seinem aberwitzigen Comic-Album völlig neu.

Vor allem holt er die fiktive Legende dafür über die Meta-Ebene in die Gegenwart. Im abgelegenen mexikanischen Örtchen La Vega feiert man heute, rund 200 Jahre nach Zorros berühmtem Kampf gegen die korrupte Armee, den degenschwingenden Helden noch immer mit Festspielen. Aber dann übernehmen Gangster in Diensten eines Drogenkartells La Vega und unterdrücken die Menschen brutal. Diego und Rosa, die jungen Kinder des ermordeten Zorro-Darstellers, schlagen daraufhin äußerst unterschiedliche Lebenswege ein: Die queere, taffe Rosa wird Fahrerin für das Kartell; der traumatisierte, verstummte Diego wächst derweil in einer abgelegenen Abtei bei einem von Zorro besessenen alten Mann und ein paar zahmen Füchsen auf.

Zwanzig Jahre nach der Ermordung ihres Vaters kreuzen sich die Wege der Geschwister erneut inmitten von eskalierender Gewalt. Woraufhin der unter Wahnvorstellungen leidende Diego als neuer Zorro mit Maske, Hut, Pferd, Degen und Fuchs-Sidekick (Zorro heißt auf Spanisch Fuchs) gegen die kriminelle Ungerechtigkeit anreitet, während seine Schwester in ihrer gepimpten Karre widerwillig an seiner Seite fährt und kämpft – und die beiden eine blutige Revolte gegen das organisierte Verbrechen in La Vega inspirieren …

Sean Murphy macht sich Zorros multimedial vielbeackerte Geschichte in seinem Comic-Reboot irgendwo zwischen „Don Quijote“, „Robin Hood“ und „Batman“ zu eigen, und Zorro dabei konsequent zu einem modernen Superhelden, tragische Origin inklusive. Das ist nur fair: Eine frühe „Zorro“-Verfilmung war Ende der 1930er eine der wichtigen Inspirationen für Bob Kanes und Bill Fingers ähnlich ikonischen Helden Batman – seit Frank Millers einflussreichen Comic-Meisterwerken „Batman: Die Rückkehr des Dunklen Ritters“ und „Batman: Das erste Jahr“ aus den späten 1980ern werden Bruce Waynes Eltern im Kanon sogar explizit nach einer „Zorro“-Vorstellung im Kino erschossen.

Mit Batman hat Sean Murphy ebenfalls viel Erfahrung. Sein unverkennbares, ungebrochen starkes Artwork kommt aber auch auf jeder Seite und in jeder Szene von „Zorro – Die Legende lebt“ voll zur Geltung. Außerdem findet der Ausnahmekünstler einmal mehr einen Weg, seinen allgemein bekannten Muscle-Car-Zeichenfimmel in einer Panel-Story auszuleben. Eigentlich dürfte diese zeitgenössische Krimi/Action/Superhero-Neudefinition von Zorro inmitten von Sportwagen und Schnellfeuergewehren nicht funktionieren. Doch sie tut es auf erstaunliche, überzeugende Hollywood-Weise – und beschert von Anfang bis Ende großen Lesespaß.

Eines ist daher sicher: So einen Zorro-Comic haben Sie nach Alex Toth, Thomas Yeates, Francesco Francavilla und Pierre Alary nicht kommen sehen, und hinterher werden Sie garantiert froh sein, dieses Album gelesen zu haben. Denn die Legende von Zorro ist dank Sean Murphy und seiner ausgefuchsten Modernisierung tatsächlich quicklebendig, der maskierte Rächer in der Gegenwart so unterhaltsam und überraschend wie lange nicht.

Sean Murphy: Zorro – Die Legende lebtComic • Aus dem Englischen von Harald Sachse • Splitter, Bielefeld 2025 • 128 Seiten • Hardcover: 25,00 €

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“ erschienen.


Die vier Cover der US-Ausgabe als „Poster“ vereint

 

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