3. November 2025

„Anime – Der ultimative Guide“ – Viel mehr als Totoro und Chihiro

Ein reich bebilderter, lesenswerter Überblick über die Geschichte des Anime

Lesezeit: 3 min.

Zu einem Zeitpunkt, als Comics langsam zu „Graphic Novels“ wurden, galten Animes oft noch als verrucht, irgendwie seltsam, eben ganz so wie das Land, aus dem sie kamen, dieses Japan, das zwar jeder kannte, aber eher aus blutrünstigen Yakuza- oder Samurai-Filmen, denn aus eigener Erfahrung.

Wann hat sich das geändert, wann wurden Animes auch im Westen zu einer so populären Form, dass es nun völlig selbstverständlich erscheint, wenn im renommierten Prestel Verlag ein 300 Seiten schwerer Band namens Anime – Der ultimative Guide“ (im Shop) erscheint, der sich mit der Geschichte des Anime-Films beschäftigt? Eingeweihte – okay, coole Menschen – kannten schon sehr früh „Akira“ oder „Ghost in the Shell“, die etwas weniger coolen entdeckten diese beiden Mega-Klassiker des Genres erst im Zuge der „Matrix“, bei dem sich die Wachowski-Geschwister auch sehr großzügig beim Anime bedienten. Im Sommer 1999 war das, etwas später, im Februar 2002, wurde Hayao Miyazajis „Chihiros Reise ins Zauberland“ bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, die bis dahin höchste Auszeichnung für einen (nicht nur japanischen) Animationsfilm im Westen.

Auch Miyazakis Meisterwerk (eines von vielen) taucht natürlich im Buch des britischen Autors Joe O’Connell auf, dessen Überblick über die Geschichte des Animes im Jahre 2024 mit der Fernsehserie „Uzumaki“ endet und gut 50 Jahre vorher beginnt und zwar mit einer Serie, die viele kannten, die bei manchen geradezu die Kindheit prägte, die dann aber erst viel später quasi filmhistorische Bedeutung erlangte. Die Rede ist natürlich von „Heidi“, die nicht nur den westlichen Blick auf die Schweiz prägte, sondern auch eine der ersten Arbeiten war, an der Hayao Miyazaki beteiligt war. Allzu viel von dem, was Miyazaki auch weit über Anime-Fans hinaus bekannt werden ließ, ist bei „Heidi“ zwar noch nicht zu sehen, aber Ansätze: Die Faszination für europäische Kultur und Landschaften, oft kindliche Charaktere, die hier noch mit echten Tieren befreundet sind, die bald wundersamen Fabelwesen weichen sollten, allen voran natürlich dem legendären Totoro.

Kaum 100 Seiten nach diesem Beginn befinden wir uns schon im Jahre 2000, was auch zeigt, dass der Anime selbst in seiner japanischen Heimat erst in den letzten 20, 30 Jahren so richtig durchstartete. Chronologisch stellt Joe O’Connell wichtige Filme und vor allem TV-Serien des Genres vor, meist auf drei reich bebilderten Seiten, wichtigere Werke bekommen auch schon mal vier.

Zwischengeschoben finden sich kurze Essays zu den einflussreichsten Regisseuren, neben Miyazaki bzw. dessen Studio Ghibli sind das etwa Mamoru Hosoda oder auch der leider viel zu jung verstorbene Satoshi Kon, dessen stilistischer, aber auch thematischer Einfluss auch in den Filmen von Darren Aronofsky oder Christopher Nolan deutlich zu spüren ist.

Neben einzelnen Regisseuren werden aber auch Sub-Genres vorgestellt, wie etwa das sich selbsterklärende Magical Girl, oder das sogenannte Iyashikei, mit dem Animes bezeichnet werden, die ihr Publikum beruhigen sollen, was angesichts der oft überbordenden Bilderwelten des Animes fast wie ein Widerspruch in sich wirkt. Erst letztes Wochenende konnte man sich in den deutschen Kinos vom Exzess des Animes „Chainsaw Man“ überwältigen lassen, der sich am Ende fast zu einem surrealen Experimentalfilm entwickelt.

Die Welt des Anime ist eben – ja, das ist fast schon zu offensichtlich – extrem bunt und vielfältig, wie dieser sehr lesenswerte Führer durch die Geschichte des Genres zeigt. Selbst eingefleischte Anime-Fans dürften hier ihnen Unbekanntes finden und sich im Anschluss an die Lektüre auf die Suche nach neuen Filmen und Serien machen, die inzwischen längst auch in Deutschland oder natürlich dem Internet viel verfügbarer sind, als noch in den 80er Jahren.

Joe O’Connell: Anime – Der ultimative Guide • Sachbuch • Prestel, München 2025 • 304 Seiten • Erhältlich als Hardcover • 40,00 € • im Shop

 

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