Pflanzenmusik mit Cassies B. Staudt
Zwei Spezies nähern sich in der Göppinger Kunsthalle an
Am 13.12.2025 gab es in der Göppinger Kunsthalle im Rahmen der Ausstellung „Furry Flowers“ von Anna Lee Hucht ein Ereignis, das nicht nur für Menschen, die sich generell für Kunst interessieren, sondern speziell auch Science-Fiction-Fans hochinteressant war, denn es wurde eine Sinfonie, genauer gesagt eine „Klimasinfonie“, vorgeführt – das Orchester bestand aus Pflanzen!
Wobei Orchester hier im abstrakten Sinn gemeint ist: Pflanzen geben bei verschiedenen Gelegenheiten wie Berührungen, Photosynthese, Wasseraufnahme oder bei Stressfaktoren wie Verletzungen oder Veränderungen der Umwelt elektrische Impulse ab. Diese fing die Stuttgarter Künstlerin Cassis Birgit Staudt mittels Klebeelektroden ein und übertrug sie durch Sonifikation in MIDI-Musikdateien (eine ähnliche Vorgehensweise findet man beim letzten Album von Sonologyst), die wiederum von ihren elektronischen Musikinstrumenten (Synthesizer, Sampler …) interpretiert wurden.
Die in einem passend grünen Hosenanzug gekleidete Staudt wies nun einer Reihe Pflanzen verschiedene Klangfarben zu und betätigte sich als eine Art Dirigentin, die dafür sorgte, dass die hörbar gemachten Pflanzen zu einem schlüssigen Gesamtkonstrukt zusammengeführt werden, dessen Schwingungen an der Decke des Konzertbereichs visualisiert wurden.

Das Wort „Komposition“ ist hier zu hoch gegriffen, konventionelle Musik kommt dabei nicht heraus (es war den Gesichtern der Besucher teilweise anzusehen, dass konventionelle Musik erwartet wurde), das Ganze hatte den Charakter einer Improvisation, aus der Ferne winkte John Cage, nur dass die rein elektronische Ausrichtung und die Auswahl der Klangfarben dem Ganzen einen unweigerlichen Sci-Fi-Touch gab. Apropos: Ob man mit der Musik jetzt was anfangen konnte oder nicht - faszinierend war der Gedanke, dass hier letztendlich eine zwischenartliche Kommunikation stattfand, Filme wie „Arrival“ (2016) kamen einen unweigerlich in den Sinn.

Die Assoziation zum Medium Film ist nicht allzu weit hergeholt, denn Cassis Birgit Staudt ist eng damit verknüpft: Sie war Location-Managerin bei Produktionen wie „Insider“ (1999) oder „Spider-Man“ (2002), betätigte sich als Produzentin von zwei Filmen von Michael Glasner („Requiem“, 1987; „Schicksal und Zufall“, 1990) und diversen Musikvideos und Kurzfilmen von Jim Jarmusch und arbeitet seit 2014 hauptsächlich als Komponistin für Fernseh- und Kinofilme („Die Unbeugsamen 2“, 2024; „Wilma Will Mehr“, 2025).
Vor dem Konzert konnten die Besucher an vier Stationen direkt mit den Pflanzen in Kontakt treten. Es gab die Möglichkeit mit einer Pflanze zu interagieren, durch Berührung, Nähe oder Atem die Klangstruktur ändern. An dieser Station wurde ebenso die Beleuchtung des Raums von einer Pflanze gesteuert. An einer anderen Station konnte man der puren, unbeeinflussten Musik einer ausgewählten Pflanze lauschen, an einer weiteren erlebte man zwei Pflanzen, die aufeinander reagieren, zusammen „musizieren“. Des Weiteren gab es noch eine Station, an der den ganzen Tag die Pflanzen ausgetauscht wurden, so dass die Besucher die Unterschiede zwischen den Arten wahrnehmen konnten.
Insgesamt jedenfalls ein ganz wunderbarer, äußerst ungewöhnlicher Abend, der einem die Natur noch ein Stück näher brachte.
Alle Infos zur vielseitigen Künstlerin gibt’s auf ihrer Homepage!
Kommentare